IHK-Magazin Ausgabe 2/2025

TITELTHEMA | HEIDELBERG

A m Neckar lässt es sich gut grün- den und leben. Im neuen Report „Next Generation – Startup-Neugründungen in Deutschland“ liegt Heidel- berg bundesweit in Relation zur Einwohnerzahl auf dem ersten Platz. Heidelberg zählt ebenso zu den nachhaltigsten Kommunen Deutschlands. Im Städteranking von Wirt- schaftsWoche, Immobilien Scout GmbH und IW Consult erreichte Heidelberg unter 72 Großstädten den dritten Platz in der Kategorie „Nach- haltigkeit“. Im entsprechenden Gesamt- ranking schneidet Heidelberg mit Platz 22 von 72 Plätzen grundsätzlich passabel ab. Betrachtet man im sogenann- ten Dynamikranking jedoch, wie sich die einzelnen Indi- katoren in den fünf zurück- liegenden Jahren verändert haben, so erreicht Heidelberg nur noch Platz 38 und rutscht im Vergleich zum Vorjahr um besorgniserregende 22 Plätze ab. Laut den Forschern kann dies ein Hinweis darauf sein, dass eine Stadt eher von der wirtschaftlichen Substanz lebt, als im Standortwettbewerb aufzuholen. Wer sich in Heidelberg um- schaut, erlebt zwei Seiten: Da ist zum einen der boomende BioTech-, Life-Science- und IT- Standort mit zahlreichen Neu- bauprojekten in der Bahnstadt und im Heidelberg Innovation Park (hip) sowie großen Plänen für das Patrick-Henry-Village (PHV). Zum anderen fühlen sich viele mittelständische Unternehmer von der kommu- nalen Politik und der städti- schen Gesellschaft zu wenig wahr- und ernstgenommen, klagen sie über langsame Ver- waltungsverfahren und Fach- kräftemangel (siehe Seiten 12, 14, 15 und 24).

Was wäre von der städtischen Politik gefordert, um die Wirt- schaftsstruktur Heidelbergs jenseits von IT und BioTech zukunftsfest aufzustellen? Die Wunschliste kann nicht beliebig lang sein, denn die Heidelberger Haushaltslage ist angespannt. Im Doppel- haushalt 2025/2026 rechnet man statt des noch im Herbst 2024 angenommenen Defi- zits von 80 bis 100 Millionen Euro nun mit einem Fehl- betrag von 120 Millionen Euro. Die Ursache: gestiegene Ausgaben aufgrund zusätz- licher kommunaler Aufgaben und ein gesunkenes Gewer- besteueraufkommen, wie Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner im Interview erklärt (siehe Seite 20). Eine Haushaltsstrukturkommission will nun bis zu 40 Millionen Euro einsparen. Zugleich sind neue Steuern und Abgaben im Gespräch: Eine kommunale Verpackungssteuer soll nach Überzeugung ihrer Verfechter nicht nur für zusätzliche kom- munale Einnahmen sorgen, sondern auch die Vermüllung der Stadt durch To-Go-Ver- packungen bekämpfen. Die Wirkung einer solchen Steuer ist jedoch umstritten (siehe Seite 18). Zuträglich sind der Wirt- schaftskraft einer Kommune vor allem gut ausgebildete Fachkräfte, eine gute Erreich- barkeit und verfügbare Flächen für Gewerbe und Handel. In Heidelberg sind die Miet- und Lebenshaltungskosten jedoch hoch. Entsprechend klagen Unternehmer über Schwierig- keiten, nicht-akademische Fachkräfte zu finden und Schüler für eine Ausbildung zu begeistern. Attraktivitäts- steigernd könnte eine Verbes- serung des Wohnungsangebots wirken (siehe Seite 21). Eine gute Erreichbarkeit nutzt dem Wirtschaftsstandort,

geht allerdings oft mit Lärm einher. Die Kommunalpolitik muss in Heidelberg gerade in zwei Konflikten ausgleichend wirken: Ende Oktober 2024 entschied der baden-würt- tembergische Verwaltungs- gerichtshof nach einer Klage von Anwohnern, dass die Stadt ihre Sperrzeit-Verord- nung verschärfen muss. Die betroffenen Gastronomiebe- triebe fürchten ihr Geschäft (siehe Seite 16). Gegensätz- lich sind auch die Meinungen beim Thema Straßenlärm. Die Verkehrslärmkartierung 2022 führte zu einer deutlich höheren Zahl der Lärmak- tionsbereiche. Da sich andere Lärmminderungsmaßnahmen als nicht praktikabel erwiesen haben, werden aktuell Ge- schwindigkeitsbeschränkun- gen diskutiert (siehe Seite 22). Flächen scheinen in Heidel- berg durch die Konversions- projekte im Gesamtumfang von 180 Hektar genug vorhan- den zu sein. Gute Bedingungen für die Neuansiedlung und das Wachstum der Heidelberger Betriebe sind dennoch rar ge- sät. Die meisten Möglichkeiten bietet aktuell der hip. Künftig kommen das Angebot im Inter- kommunalen Gewerbegebiet Leimen Nord – Rohrbach Süd sowie im PHV hinzu (siehe Seite 23). Hier wie an vielen anderen Stellen ist aber mehr Tempo gefordert. Die Klage, dass Verwaltungsvorgänge zu viel Aufwand verursachen und zu lange dauern, verbindet Unternehmer und Bürger Heidelbergs. Sicherlich gibt es hierfür viele Ursachen, die außerhalb der kommunalen Verantwortung liegen. Doch schadet es nichts, sich bewusst zu machen, dass Zeit für einen Wirtschaftsstandort Geld ist. Und Geld kann Heidelberg gut gebrauchen. Texte im Titel: Stefan Burkhardt

10 MILLIARDEN EURO Bruttoinlands- produkt 2022 QUELLE: STADT HEIDELBERG

127.100 ERWERBSTÄTIGE in Heidelberg 2022 QUELLE: STADT HEIDELBERG

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IHK Magazin Rhein-Neckar 02 | 2025

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