TITELTHEMA | HEIDELBERG
DESTILLE „Dann wird die Altstadt tot sein“ Destille-Chefin Christine Hartmann sorgt sich nach dem Sperrstunden-Urteil des Verwaltungsgerichtshofes um die Lebendigkeit der Heidelberger Altstadt.
anderen gelten in der Kern- Altstadt bereits heute andere Sperrstundenregelungen als im Rest Heidelbergs: Wir müs- sen unter der Woche bereits um ein Uhr und am Wochen- ende um vier Uhr schließen. Wenn man eine Straße weiter geht, kann man hingegen bis drei Uhr oder fünf Uhr feiern. Wie werden Sie reagieren? Hartmann: Natürlich macht man sich seine Gedanken. Wir werden aber erst einmal abwarten, wie das Urteil be- gründet wird und wie die Stadt reagiert. Vielen Gastronomen ist aber bereits jetzt klar, dass sie aufgrund der Umsatzein- bußen Menschen entlassen müssen. Was wünschen Sie sich? Hartmann: Wir wünschen uns mehr Rückhalt von der Stadt. Die Gastronomie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Und Heidelberg muss jungen Menschen auch in der Alt- stadt weiterhin Möglichkeiten bieten, zu arbeiten und auszu- gehen. Früher hatten wir nie Nachwuchssorgen. Das ganze Jahr kamen Menschen zu uns und fragten, ob sie bei uns als Bedienung beginnen können. Mit der Corona-Pandemie hat sich alles verändert: Wir hatten große Probleme, Personal zu finden. Die Personallage hat sich erst seit Frühjahr 2024 wieder einigermaßen normali- siert. Zugleich hatten wir seit der Pandemie lange Monate unter der Woche nur wenig Publikumsverkehr. Jetzt kom- men die Leute wieder. Aber wo sollen sie abends hin?
Frau Hartmann, was zeichnet Ihre Kneipe aus? Christine Hartmann: Die Destille gibt es seit 54 Jah- ren. Wir sind in Heidelberg eine feste Institution. Es gibt schon mehrere Generationen, die während ihres Studiums Zeit bei uns verbracht haben. Das Publikum umfasst alle Altersklassen. Zum einen Studierende, zum anderen aber auch Stammgäste, die uns seit vielen Jahren besuchen. Hartmann: Heidelberg ist sehr jung, sogar die jüngste Stadt Deutschlands. Die neu- en Sperrstundenregelungen würden dieser Tatsache nicht gerecht: Müssten wir um null Uhr schließen, könnten unsere Gäste nicht in ihren Geburtstag hineinfeiern. Eine so festgelegte Sperrstunde passt auch nicht zu den geän- derten Ausgehgewohnheiten der jungen Gäste: Studieren- de sind heute länger in den Veranstaltungen und arbeiten bis spät abends. Selbst die Universitätsbibliothek hat bis um ein Uhr nachts geöffnet. Die Studierenden gehen des- Welche Auswirkungen hat das jüngste Sperrstundenurteil? halb später aus und wollen dann auch länger draußen sein. Kommen die kurz vor Weihnachten angekündigten neuen Sperrstunden wirklich, werden wir selbst nicht nur wegen der kürzeren Öffnungs- zeiten Umsatzeinbußen ha- ben. Die Gäste werden gleich in einen anderen Stadtteil gehen. Dann wird die Altstadt tot sein.
Christine Hartmann beschäftigt 17 Mitarbeiter.
Was ärgert Sie an der Debatte?
Wir wünschen uns mehr Rückhalt von der Stadt. Die Gastronomie ist
Hartmann: Zum einen ist oft von einem Konflikt zwischen Gastronomie und Altstadtbe- wohnern die Rede. Das stimmt so nicht. Wir haben in der Un- teren Straße ein gutes Verhält- nis zu unseren Nachbarn. Nur zwei Personen haben geklagt. Für alle anderen ist klar, dass in der Altstadt schon immer gelebt wurde und es in jedem Stadtzentrum lauter ist. Zum
ein wichtiger Wirtschafts- faktor.
Christine Hartmann
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IHK Magazin Rhein-Neckar 02 | 2025
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