MEINUNG
HEIDELBERG Braucht die Stadt eine Verpackungssteuer?
Heidelberg plant die Einführung einer Einwegsteuer auf Speise- und Getränkeverpackungen. Was spricht dafür, was dagegen?
Heidelberg sollte sich auch für eine bundesweite Regelung einsetzen.
Die Wirtschaft sollte nicht weiter belastet werden.
JÄHRLICH FALLEN 14 MILLIARDEN GE - TRÄNKEBECHER UND ESSENSBOXEN im To-Go-Bereich an. Oft werden diese wild entsorgt – Littering. Der Verband kommunaler Unternehmen schätzt, dass die Beseitigung des Littering pro Einwohner und Jahr etwa 8,30 Euro kostet, 40 Prozent gehen auf Kunststoffe und Verpa-
DAS THEMA MÜLLVERMEIDUNG IST ENORM WICHTIG und sollte innerhalb der Gesellschaft stärker in den Fokus rücken. Allerdings ist eine lokale Verpackungssteuer nicht die richtige Maßnahme, um das Bewusstsein dafür weiter zu schärfen. In der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage ist eine solche Steuer eine zusätzliche finanzielle und orga-
Dr. Frieder Rubik ist wissenschaft- licher Mitarbei- ter des Instituts für ökologische Wirtschaftsfor - schung (IÖW) im Büro Heidelberg.
Susanne Schaffner, Inhaberin von TeeGschwendner, ist Vorsitzende des Pro Heidelberg e. V. und Mitglied der IHK-Voll - versammlung.
ckungen zurück. Für Heidelberg sind das etwa 540.000 Euro – jährlich! Zum 1. Januar 2023 sind bundesweit To-Go-Lebensmittel und Getränke auch in Mehrweg anzubieten. Resultat: Die To-Go-Mehrwegquote erhöhte sich von 0,7 (2022) auf 1,6 Prozent (2023). Ein Fehl- schlag, zumindest bisher. Aus Nachhaltigkeitssicht sind die ökobilanziell nachteiligen Einweg- durch Mehrweg- verpackungen zu ersetzen, das Littering zu vermeiden sowie Verpackungen möglichst effizient im Kreislauf zu führen. Eine Möglichkeit, hier einzugreifen, sind Verpackungssteuern auf Einwegverpackungen. Diese geben Verbrauchern preisliche Anreize für Mehrweg- verpackungen. Leider wurde bisher keine bundesweite Lösung gefunden. Deswegen haben Städte wie Tübingen oder Konstanz eine kommunale Verpackungssteuer eingeführt. Die Erfahrungen in Tübingen sind positiv: Im Straßenbild ist weniger Littering wahrnehmbar; er Anteil von Betrieben, die Mehrwegverpackungen nutzen, ist erheblich angestiegen. Rund 700.000 Euro Steuern fielen an, der Verwaltungsaufwand betrug 100.000 Euro. Heidelberg sollte dies voranbringen – sich auch für eine bundesweite Regelung einsetzen. Die Verpackungssteuer ist zu ergänzen, etwa durch Kampagnen, Förderprogram- me zur Umstellung auf Mehrweg oder durch Rücknah- meautomaten im öffentlichen Raum.
nisatorische Belastung für die Betriebe In Heidelberg. Sie müssten die Kosten an ihre Kunden weitergeben, was die Preise erhöhen und die Nachfrage verringern würde. Hinzukommt, dass es bereits die sogenannte Mehr- wegpflicht gibt, die jeden Betrieb, der To-Go anbietet, verpflichtet neben Einweg auch Mehrweg zum gleichen Preis anzubieten. Außerdem zahlen Gastronomie und Handel bereits für die Straßenreinigung, und zwar über die Mietnebenkosten an ihre Vermieter. Ebenso bleibt noch ein Gerichtsurteil zu einer Klage einer Fast- food-Kette abzuwarten, die gegen diese Steuer in einer anderen Stadt geklagt hat. Zudem könnte durch eine lokale Steuer ein Wettbewerbsnachteil für die Betriebe in Heidelberg entstehen, da umliegende Städte und Ge- meinden keine Verpackungssteuer planen bzw. der Ge- meinderat dagegen gestimmt hat. Die Wirtschaft sollte nicht weiter belastet werden. Es wirkt wie ein verzwei- felter Akt, um die knappe Haushaltskasse aufzufüllen zu Lasten derer, die mit ihrer Gewerbesteuer einen großen Anteil an den Einnahmen der Stadt haben. Das ist nicht der richtige Weg. Hier sollte ein Dialog mit allen Akteu- ren stattfinden, um eine andere Lösung zur Vermeidung von Müll zu finden.
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IHK Magazin Rhein-Neckar 02 | 2025
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