IHK-Magazin Ausgabe 2/2025

TITELTHEMA | HEIDELBERG

Drei Fragen an … IHK-Geschäftsführer Andreas Kempff

die Haushaltslage der Stadt. Die fiskalische Anspannung verschärft aber hausgemachte Probleme: So sind in Heidel- berg kaum noch Gewerbeflächen verfügbar. Hier muss die Kommunalpolitik planerisch eingreifen. Heidelberg darf nicht einseitig auf den Wohnungsbedarf schauen, auch wenn der Mangel dort scheinbar größer ist. Schon für die Kommunalfinanzen müssen beide Sektoren wachsen, denn jeder Einwohner stellt Anforderungen an Kita, Schu- le, usw. Gemeinden mit überstarkem Wohnsektor können aus der Balance geraten. Einen ersten Hinweis bieten in Heidelberg die Pendlerzahlen: Die Zahl der Auspendler wächst stärker als die Zahl der Einpendler. Heidelberg wird also ein Stück weit zur Schlafstadt von Mannheim und Walldorf – Fachleute nennen das „inverses Zentrum“. Parallel hat sich ein Teil der Stadtgesellschaft ein Stück von der Wirtschaft entfremdet. Das zeigt sich zum Beispiel bei Bürgerentscheiden, bei den Klagen gegen Lärm- und Geruchsbelästigung durch Gewerbebetriebe, aber auch bei manchen Maßnahmen der Verkehrspolitik. Und oft agiert die Stadt in ihren Entscheidungen zu langsam: ein Beispiel ist der Masterplan Neuenheimer Feld. Man hat nicht das Gefühl, dass in Heidelberg um die Wirtschaft gekämpft wird. Doch das wirtschaftliche Wohlergehen einer Stadt ist nicht selbstverständlich. Kempff: Die Stadt, damit meine ich die Stadtgesellschaft, muss sich entscheiden, welche Bedeutung sie der Wirt- schaft beimisst und welchen Platz sie ihr einräumt – und das im wörtlichen Sinne. Das betrifft gerade die Flächen: Heidelberg muss eine vorausschauende Gewerbeflächen- politik betreiben, auch vor dem Hintergrund, dass das Land schon ab 2035 den Netto-Flächenverbrauch auf null reduzieren will. Das Stadtentwicklungskonzept 2035, an dem die Stadt derzeit arbeitet, muss diese Frage beantwor- ten und darüber hinaus für eine Integration der zahlrei- chen Fachplanungen und Masterpläne sorgen. Dazu gehört aber auch, dass man eher die Verkehrsflüsse optimieren sollte, als Tempo 30 auf allen Straßen anzuvisieren. Nur so kann Heidelberg seiner Versorgungsfunktion als Ober- zentrum für das Umland gerecht werden und Kaufkraft 3. Was wäre auf Seiten der Stadt nötig, um den Wirtschaftsstandort zu beleben? dauerhaft binden. Schließlich müssen politische Ent- scheidungen berechenbarer sein und Verwaltungsabläufe beschleunigt werden. Ansonsten ergeben sich Verluste an Geld und Chancen. Das betrifft nicht zuletzt das Konver- sionsgebiet im Patrick-Henry-Village. Und das Timing in Heidelberg ist nicht immer glücklich. Eine gute Tat zur Unzeit hilft auch noch halb so stark.

Herr Kempff, wie beurteilen Sie Heidelberg?

1.

Andreas Kempff: Der Standort ist mit seinen Innovations- motoren – der Universität, den Forschungszentren und den Instituten – in den Lebenswissenschaften und der IT sehr gut aufgestellt. Die Schwerpunkte Heidelbergs liegen zwar in der Grundlagenforschung, gerade die Universität bemüht sich aber auch intensiv um den Transfer. Von der Gründung der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät erhoffen wir uns eine weitere Stärkung des Anwendungs- bezugs und damit auch des Transfers. Darüber hinaus gibt es in Heidelberg herausragende Förder-Strukturen für Ausgründungen und damit für die Zukunft der Wirtschaft am Standort. Ein gutes Beispiel bietet die Tätigkeit der Technologiepark GmbH, an der die IHK Rhein-Neckar seit deren Gründung beteiligt ist. 2. Wo sehen Sie aus IHK-Sicht Herausforderungen? Kempff: Eine der größten Herausforderungen ist

INFO



Das sind die verkehrspolitischen IHK-Forderungen für Heidelberg

Schaffung einer fünften Neckarquerung Ausbau des Eisenbahnknotens Mannheim – Heidel - berg zur Verbesserung des Güterverkehrs sowie des Nah- und Fernverkehrs, inklusive erforderlicher Maßnahmen in den Hauptbahnhöfen Mannheim und Heidelberg Ausbau des Straßenbahnnetzes in Heidelberg und den Nachbargemeinden („Mobilitätsnetz Heidelberg“), beispielsweise durch den Bau der Straßenbahn in das Neuenheimer Feld und die Verbesserung der Erschlie - ßung der Heidelberger Altstadt, den weiteren Ausbau des kommunalen Schienennetzes und die Verlängerung der Straßenbahn bis Schwetzingen Umsetzung der Radschnellwege Mannheim – Heidelberg, Heidelberg – Weinheim – Darmstadt, Heidelberg – Bruchsal – Karlsruhe

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IHK Magazin Rhein-Neckar 02 | 2025

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