Typisch Italien

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G L Ü C K E N D E E X P E R I M E N T E ALOIS LAGEDER

In Margreid, am südlichsten Zipfel Südtirols, ist es viel wärmer als sonst überall in Südtirol. Man hat schon eher den Eindruck eines mediterranen, subtropischen Klimas, jedenfalls was die Pflanzenwelt angeht. Das Etschtal ist tief eingeschnitten, im Tal liegt die fruchtbare Flussebene, von der aus es plötzlich steil den Hang hoch geht. Direkt in diesem Knick liegt der kleine Ort mit dem großen Weingut.

D ie Lageders sind schon seit Generationen im Wein, zuerst als Négociants, seit 1855 auch mit einem eigenen Keller, der zuerst in Bozen lag. 1934 erwarb die Familie den Ansitz Löwengang, ein typisches Tiroler Herrenhaus von 1666 in Margreid. Hier werden seitdem die Weine gemacht und im nahegelegenen Ansitz Hirschprunn gibt es ein Restaurant mit eigener Landwirtschaft. Beim Senior, Alois Lageder, dem Fünften, und dem neuen Chef, Clemens ist das höchste Ziel der Einklang, miteinander, mit der Natur und mit den Weinen. In gewisser Hinsicht scheint es nur folgerichtig, dass bei Lageder schon seit 2004 alles auf Biodynamie ausgerichtet ist, selbst die Zukäufe anderer Winzer sollen ab 2023 sämtlich aus zertifiziert biodynamischem Anbau stammen. Clemens ist 2015 in den Familienbetrieb eingestiegen, nachdem er in der ganzen Welt herumgekommen ist. In Paris, Zürich, dem Burgund, New York und Luxemburg hat er gelebt, bevor er nach Margreid zurückgekehrt ist, um seine Vision von

Spannend ist, wie bei Lageder Tradition und der Blick in die Zukunft überein kommen. Einerseits werden lange verschüttete Traditionen wie etwa Tiere im Weinberg wieder eingeführt, andererseits ermuntert der studierte Soziologe Clemens seine Mitarbeiter stets dazu, weiter zu experimentieren: „Wir machen Fehler, das ist doch ganz klar, aber was macht man daraus. Ich denke, man muss aus der Praxis lernen, denn wenn man sich darauf einlässt, Fehler zu machen und zu lernen, begibt man sich auf den Weg, alles im Wandel zu sehen und als Ganzes.“ Auf diesem Weg begleitet Clemens auch sein Kellermeister Jo Pfisterer, der stets auf der Suche nach Verbesserungen im Wein ist. „Wir haben ein großes Ziel und das ist Qualität“, sagt Clemens, „wir haben zwar 200 Jahre Geschichte als Weingut, aber Neugier und Veränderung sind elementar. Schon allein, weil wir mit und in der Natur arbeiten und die sich stets verändert.“ So ist natürlich auch in Südtirol der Klimawandel eine riesige Umwälzung für die Winzer. Das Weingut Lageder ist darauf aber besser eingestellt als die meisten. Denn die Familie scheut sich nicht davor, beispielsweise ihren Pinot Grigio Porer auf inno- vative Weise zu vinifizieren. „Wir haben jedes Jahr vielleicht hundert

Experimente laufen. Die meisten davon sind Fehl- schläge, einige sind einiger- maßen interessant, aber hin und wieder gibt es mal eins, das wir als vollen Erfolg verbuchen und aus dem wir für unsere normale Weinlinie lernen können“, beschreibt Clemens die Herangehensweise. Der Porer ist ein ganz besonde- rer Grauburgunder, weil er das gewisse Extra an Struk- tur und Substanz hat. Das

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biodynamisch angebautemWein zu verwirklichen. Dazu ist es nötig, den Fokus vom reinen Weingut weg hin zu einem „Hoforganismus“, wie er es nennt, zu lenken. Also vielfältige landwirtschaftliche Kulturen, Viehzucht und vieles mehr, um einen in sich geschlos- senen Kreislauf, beinahe einen eigenen Kosmos zu bilden. So werden die Weinberge im Winter von Kühen und Schafen als Weide benutzt, die neueste Entwicklung bei Lageder. 1. | BIODIVERSITÄT WIRD BEI LAGEDER GROSS GESCHRIEBEN 2. | FASZINIEREND AN SÜDTIROL SIND VOR ALLEM AUCH DIE HÖHENUNTERSCHIEDE DER WEINBERGE 3. | CLEMENS UND ALOIS LAGEDER

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liegt daran, dass Jo Pfisterer und Clemens Lageder hier auf die Idee gekommen sind, den normalen Weißwein mit kleineren Anteilen von Orange Wine aus derselben Ernte zu cuvéetieren. Nicht so viel, dass es sich stark niederschlägt, aber doch genug für ein bisschen Rückgrat und Würze im Hintergrund. Überhaupt gehört in Südtirol und insbesondere bei der Familie Lageder das Experiment mit zur Tradition, man könnte fast sagen, zur DNA. Klar, Klima und Wetter sind ständig in

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