Typisch Italien

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Wer weiß, was passiert wäre, wenn die Zürcher Familie Widmer sich zu Weihnachten 1980 für ein anderes Reiseziel entschieden hätte? Wären die Widmers nach New York geflogen oder hätten sich für ein geruhsames Fest am Zürisee entschieden, wäre die Welt um ein Weingut mit einer der schönsten Geschichten ärmer. Denn Brancaia ist eigentlich eine Weihnachtsgeschichte. Zum Glück eine, die von Dickens‘ Mister Scrooge sehr weit entfernt ist.

D enn die Widmers, Brigitte und Bruno – wahre Genussmenschen, waren mit ihren Kindern in der Toskana, mitten im Gebiet des Chianti Classico. „Für unsere Familie war dieser Teil des Lebens immer sehr wichtig. Gemeinsam gut zu essen und dazu ein ordentliches Glas Wein zu trinken, das

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gehört dazu“, erzählt Barbara Widmer, die damals als Kind dabei war. Und für Leute, die gern essen und trinken ist die Toskana natürlich ein – Verzeihung! – gefundenes Fressen. Die Widmers waren sofort verliebt in Land, Küche und Leute. Davon wollten sie mehr, also begannen sie sofort, sich nach einem Ferienhaus umzusehen. In der Gegend von Castellina schließlich, an einem elendig staubigen Feldweg, mitten im Nirgendwo wurden sie fündig. Die Casa Brancaia war groß genug für die Familie und als Bonus gab es noch einige Weinre- ben dazu, wie sie in dieser Gegend zu jedem Landhaus gehören. Da fing die Fantasie an zu spielen. „Zum Traum von einem Ferienhaus kamen noch weitere Träume: Was, wenn man hier eigenen Wein machen könnte? Was, wenn der so gut wäre, dass man den auf der ganzen Welt trinkt? Und wenn das ganze

erfolgreichen Werbers an das Weinmachen herangegangen. Nur das beste Ergebnis war gut genug. Alles andere hätte man gar nicht anfangen müssen, so lautete sein Credo. Und nach dem Prinzip wurden auch die Trauben bearbeitet: Handlese und manuelle Selektion, lange bevor das die Regel bei Qualitätsweingütern war. „Wir haben vor 40 Jahren bei Null angefangen und heute haben wir 80 Hektar Rebfläche, zur Hälfte im Chianti Classico und zur Hälfte in der Maremma. Unsere Weine werden auf der ganzen Welt ge- trunken und je nach Zählweise beginnt gerade die zweite oder dritte Generation die Arbeit auf dem Weingut. Niemals seine Träume aufgeben, kann man dazu nur sagen!“ Moment – je nach Zählweise, was soll das denn heißen? „Meine Eltern haben die Weine ja nie selbst gemacht. Und hier-

» WIR HABEN VOR 40 JAHREN BEI NULL ANGEFANGEN UND HEUTE HABENWIR 80 HEKTAR REB- FLÄCHE, ZUR HÄLFTE IM CHIANTI CLASSICO UND ZUR HÄLFTE IN DER MAREMMA. « Barbara Widmer

her gezogen sind sie auch nicht, denn wir haben die ganze Zeit weiter in der Schweiz gelebt.“ Dann erzählt sie, dass sie nach dem Abitur zunächst Architektur studiert habe. Aber irgendwann brauchte sie eine kreative Auszeit und ist dafür in die Toskana gefahren. Zwei Monate, mitten in die Ernte hinein. „Das hatte ich davor noch nie miterlebt. Und plötzlich hat mich das total ange- steckt. Ich brannte richtig, und noch heute bin ich von der Ernte fasziniert.“ Barbara machte eine Weinbau-Ausbildung und arbeitete für ein Jahr bei in der Schweiz bei Bio-Pionier Gerard Pillon, bevor sie fest in die Toskana übersiedelte. „Deswegen bin ich auf eine Art auch die erste Generation.“

Unterfangen dann zu einem Familienunternehmen würde?“ Jetzt, sagt Barbara, sind all diese Träume in Erfüllung gegangen, überraschend schnell, wie man bemerken muss. Nur zwei Jahre brauchten die „Hobby-Winzer“ aus der Schweiz damals, um bei einer Chianti-Blindverkostung des Weinmagazins Vinum den ersten Platz zu belegen. Ihr Vater war mit der Kompromisslosigkeit eines

1. | BARBARA WIDMER 2. | DIE FAMILIE WIDMER AUS DER SCHWEIZ HAT SICH SOFORT IN DIE TOSKANISCHE LANDSCHAFT VERLIEBT

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