Typisch Italien

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Giancarlo Pacenti ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Der Mann ist gebaut wie ein Baumstamm und es verwundert nicht, dass er aus einer langen Ahnenreihe von Maremma-Bauern kommt. Aber in dieser unscheinbaren Hülle steckt ein hellwacher Verstand mit beinahe schon philosophischen Neigungen. „Mein Sangiovese ist so wie ich. Manchmal wünschte ich allerdings, er wäre besser als ich.“ Aber leider ist demWinzer nur vergönnt, möglichst wenige Fehler im Nachhinein in den Wein zu bringen, wenn die Natur einen guten Jahrgang vorlegt. Verbessern kann er nicht.

V ielleicht überrascht diese Aussage von einem, der als „Modernist“ im Brunello gilt, seit er in den 90er Jahren angefangen hat, Barriques zu benutzen. Aber dass die Fässer von den besten französischen Tonnellerien zu ihm nach

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Montalcino geliefert werden, geht weit über die Mode hinaus, die eine ganze Weile lang in Italien grassierte, die jeweiligen Weine „modern“ und „super“ zu machen, indem kleine Holzfässer benutzt wurden. Giancarlo hat enge Verbindungen ins Bordelais, wo er in seinen Anfangsjahren immer wieder zu Praktika gewesen ist, um sich genau abzu- schauen, wie hier der Wein gemacht wird. Zudem hat er gemeinsam mit einem dorti- gen Professor erforscht, wie der Reifepro- zess der Sangiovese abläuft. Denn, Holz hin oder her, der Wein kommt aus dem Wein- berg und einem wie Giancarlo genügt es nicht, einfach nach Gefühl zu ernten, wenn die Trauben rot geworden sind, wie es seit jeher in Montalcino gemacht wurde. „Sie sind reif, wenn sie eben reif sind“, so eine Aussage wäre nichts für ihn. Es ist am Ende eine Frage des Stils, der bei Pacenti vor allem auf die perfekte, runde Tanninstruktur abzielt. Klar, dass

Sein Top-Wein ist der „Vecchie Vigne“ von alten Reben, wenn er nicht die einzelne Parzelle aus den 70er Jahren gesondert ausbaut, die einst sein Vater angepflanzt hat. Daraus wird in besten Jahrgängen der „PS“ gemacht, nach dem Vater und Na- menspatron des Gutes, Siro Pacenti. Der uralte Wingert von Siro ist nicht die einzige Einzellage, auch der „Pelagrilli“ ist ein Lagenwein. „Der ist einfach zu beson- ders, um ihn nicht zu separieren“, findet Giancarlo. Die bis zu 35 Jahre alten Reben stehen um das Weingut herum, Pelagrilli ist auch der Name des Hofs. Hier im Norden Montalcinos ist es deutlich kühler, was sich auch auf die Weine auswirkt, die in den meisten Jahren mehr Feinheit und Eleganz bieten, als ihre Brüder aus dem Süden des Anbaugebiets. Das ist im Übrigen ein Um- stand, den sich Giancarlo als einer der weni- gen Winzer hier zunutze macht. Denn er hat

» DER VECCHIE VIGNE VON 2015WAR AUCH EIN RICHTIG GUTER WEIN – IN DIESEM JAHR LIEF ES NAHEZU PERFEKT. DAS MUSS ICH DANN HALT AUF DIE FLASCHE BRINGEN, OHNE ETWAS ZU VERFÄLSCHEN... « Giancarlo Pacenti

A L L E S M O D E R N O D E R W A S ?

PAS C IRE ONTI

in beiden Hälften von Montalcino Weinberge, die in seinen Cuvées fein aufeinander abgestimmt werden. So bringt der Süden Kraft und Struktur, während der Norden die Eleganz einbringt. Natürlich immer mit einem besonderen Augenmerk auf den „tannins very very round“. Anhand von Giancarlo lässt sich wunderbar betrach- ten, wie wenig Sinn in einem Begriff wie Modernismus tatsächlich steckt. Für einen kurzen Zeitraum mag eine solche Bezeichnung noch Sinn ergeben, wenn in einem Weingebiet eine neue Mode Einzug hält und viele Winzer auf die neue Idee reagieren. (Ob durch Nachahmung oder Abwehr.) Aber Giancarlos Arbeit, und an dieser Stelle ist er wohl wieder ganz so, wie man von seinem Äußeren her klischeehaft denken könnte, ist eigensinnig und unabhängig. Er ist keiner, der einer Mode nachrennt, sondern ein

man genau Bescheid wissen muss, wie die Trauben reifen, wenn es in erster Linie auf die Tannine ankommt. Und genauso klar, dass dann nur das beste Holz der weltweit führenden Küfer in Frage kommt. Hört man Giancarlo zu, dann kommt er immer wieder auf dieses Ideal zurück, die „tannins very, very round“, von denen er mit entzückend italienischem Englisch schwärmt. Und man muss schon sagen, er ist ein Meister dieses Stils. Dichte, opulente Weine, die mit zunehmendem Rebenalter immer nur noch raffinierter werden. Deswegen gibt es keinen Wein von Pacenti, der von Reb- stöcken unter 15 Jahren stammt, nicht einmal der Einstiegs-Rosso.

1. | DER HOF PELAGRILLI LIEGT IM NORDEN MONTALCINOS 2. | GIANCARLO PACENTI

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