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D I E J E S U S L A T S C H E N V E R L O R E N FEUDO MONTONI
Im sizilianischen Dialekt gibt es einen Ausdruck für einen abgelegenen, im Deutschen würde man sagen, gottverlassenen Ort: „Unni persi i scarpi u Signuri“ – übersetzt: Hier hat Jesus seine Latschen verloren. Genau das beschreibt Feudo Montoni am besten. Es heißt, Sizilien sei ein eigener Kontinent. Wenn das so ist, dann liegt in der Mitte davon die Warnung, die man von alten Landkarten her kennt: „here be dragons“. Unter den Bauschschuppen dieser Drachen liegt gewissermaßen Feudo Montoni.
R ingsum sind die hochstehenden Halme der Weizen- felder, hier wächst vor allem Hartweizen, wie er für italienische Pasta und für Couscous benutzt wird. Mehr als zehn Kilometer fährt man, bevor sich inmitten der Weizenfelder an einem
sanft ansteigenden Hang plötzliche eine andere Kulturpflanze findet: Wein. Aller- dings nicht als ein Weinbaugebiet, oder gar eine Region. Nein, weit und breit gibt es nur dieses eine, einzige Weingut, die Rebstöcke gehören alle zu dem einsamen Gebäudecarrée von Feudo Montoni. Dieses Eiland auf der Insel ist ein einmaliges Terroir, das Fabio Sireci, Winzer in dritter Generation, nicht durch die Boden- beschaffenheit definiert. „Das Land ist wie eine Zeitkapsel, es ist vor allem die Geschichte, die unsere Weine ausmacht. Und ich meine das nicht im Sinne von Marketing als Storytelling, sondern wirklich die Vergangenheit.“ Das fällt ihm leicht zu sagen, denn hier auf Feudo Montoni ist die Historie nicht nur besonders präsent – auf dem Gelände des Gutes sind Höhlen, die vor Tausenden von Jahren von den Sikanen, den ersten Urein- wohnern Siziliens bewohnt wurden – son-
„Für mich war eine Begegnung mit dem berühmten Önologen Giacomo Tachis sehr prägend“, erzählt Fabio. Tachis war zu Beginn der 2000er damit beauftragt worden, die Nero d’Avola zu erforschen. Die Traube steht für Sizilien, aber ihre Herkunft liegt einigermaßen im Dunkeln. „Jedenfalls ist er überall gewesen und hat nach alten Weinbergen gesucht. Mein Vrucara gehörte zu den sechs ältesten, die er finden konnte, und war dabei derjenige, der den einzigartigsten Wein gab.“ Denn man dürfe nie vergessen, dass Feudo Montoni zwar auf Sizilien liegt, also auf der geografischen Breite von Tunesien, allerdings auch auf 700 Metern über dem Meeresspiegel, direkt neben dem hohen Monte Cammarata, von dem kühlende Winde kommen. „Das ergibt einen ganz anderen Wein, wir sind selbst in den wärmsten Jahren nicht so marmeladig und
» DAS LAND ISTWIE EINE ZEITKAPSEL, ES IST VOR ALLEMDIE GESCHICHTE, DIE UNSEREWEINE AUSMACHT.UND ICH MEINE DAS NICHT IM SINNE VONMARKETING ALS STORYTELLING, SONDERNWIRKLICH DIE VERGANGENHEIT. « Fabio Sireci
dern es gehört zur Familientradition der Sirecis, die Geschichte zu ehren und zu bewahren. Das beste Beispiel dafür ist der Vrucara- Weinberg. „Als mein Großvater das hier gekauft hat, war der Wein- berg schon da, die Reben waren schon groß gewachsen. Es weiß also tatsächlich niemand, wie alt die Pflanzen genau sind.“ Andernorts wären die Reben wohl schon lange ausgerissen und durch moderne, ertragsreiche Klone ersetzt worden. Aber das kam nie in Frage, weder Großvater Rosario, Vater Elio, noch jetzt Fabio haben das ernsthaft in Erwägung gezogen, zu groß die Ehrfurcht vor dem Alter des Weinbergs. Allerdings hatte Fabio durchaus Zweifel an diesem Weg, als er nach dem Studium mit dem Weinmachen begann.
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1. | SIE LIEBEN IHR LAND: MELISSA MULLER UND FABIO SIRECI 2. | DIE WEINGUTSGEBÄUDE SIND 1469 ERBAUT WORDEN
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