Typisch Italien

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–– ITALIEN

ITALIEN ––

Man kann es sich richtig vorstellen, wie der Mundschenk des Königshauses Savoyen verzweifelte, ob der süßen Rotweine aus dem Piemont. Barolo vor dem Jahre 1840, das war ein nicht fertig durchgegorenes, süßes Zeug – vielleicht wie schaler Lambrusco. Schon damals konnte man damit keinen Weinfreund begeistern und so blieb demMarchese di Barolo nichts anderes übrig, als sich Unterstützung einzuholen, um seinen Ländereien einen Wein abzuringen, der auch seiner französischen Gattin mundete. E r bestellte also einen, der es wissen musste, einen Franzosen. Louis Oudart, TYPISCH PIEMONT D E R E R F U N D E N E E R F I N D E R

Önologe aus der Champagne konnte mit den Erfahrun- gen aus dortigen, sehr kalten Weinregion auch den Barolo-Winzern einiges beibringen. Denn das Problem war die Winterkälte. Die Nebbiolo wurde so spät reif, dass die Gärung im Winter stattfinden musste und wegen der Kälte konnte der Wein nicht durchgären. Oudart riet nun dazu, tiefe Keller zu graben, deren Temperatur konstant bleibt, und brachte noch einige Hygieneregeln mit, um den Wein zusätzlich zu verbessern. Etwas später brachte er das Rezept auch noch ins Barbaresco, mit dem gleichen, großen Erfolg. So heißt es jedenfalls in vielen, zum Teil auch renom- mierten Quellen zur Herkunft des Barolo. Allerdings deutet wenig darauf hin, dass die Geschichte wahr ist. Oudart, ein Négociant aus Genua hatte nichts mit den Marchesi zu tun. Auch die alternative Geschichte, laut der ein Spion zu den Winzern der Champagne geschickt wurde, um sich dort die Tricks abzuschauen, ist vermut- lich nicht wahr.

Dabei muss man davon ausgehen, dass es – und hier gibt es wirklich eine Parallele zur Champagne – nicht den einen Erfinder des Weinstils gibt, sondern vielmehr eine Entwicklung und ein ständiger Erfahrungsaus- tausch stattgefunden haben. Das war im 19. Jahrhun- dert Gang und Gäbe, verwunderlich wäre eher, wenn die Piemonteser einen Spion schicken müssten, um etwas zu erschleichen, was sie sicherlich auch bei einem guten Glas und einem Essen unter Kollegen hätten in Erfah- rung bringen können. Bleibt noch die Frage, warum braucht es einen Oudart? Die Story taucht erstmals in einer italienischen Geschichte des Weinbaus von 1937 auf. Seitdem macht Oudart die Runde und er wird sich lange als praktisch erwiesen haben. Denn Barolo war zu dem Zeitpunkt ein Hinterwäldler-Wein, weit entfernt von seinem heutigen Prestige. Da konnte ein erfundener Erfinder aus der Champagne nicht schaden. —

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MAI 2022

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