IHK-Global Business Ausgabe 4/2024

AMERIKAS

CHILE Wasserwirtschaft muss nachrüsten privater Hand. Größter Akteur ist Aguas Andinas, eine Tochter der französischen Veolia-Gruppe. Das Unterneh- men versorgt etwa 40 Prozent der Kunden im urbanen Raum und fast die gesamte Metropolregion Santiago. Neben Veolia sind unter anderem ein kanadischer Pen- sionsfonds und die spanische Sacyr-Gruppe engagiert. Deutsche Investoren gibt es nicht. In Chile ist die städtische Wasserversorgung und Abwasserentsorgung derzeit zu 99 Prozent in Laut jüngstem Jahresbericht der Wasseraufsichtsbehör- de Superintendencia de Servicios Sanitarios (SiSS) sind landesweit 56 Konzessionäre registriert, von denen 49 operativ tätig sind. Diese müssen auf 15 Jahre angelegte Investitionspläne vorlegen. Dabei wird es in den kom- menden Jahren vor allem um die Nachrüstung und die Erweiterung der seit Ende der 1990er Jahre installierten Anlagen zur Wasseraufbereitung gehen. Insgesamt lag das Investitionsvolumen der chilenischen Wasserversorger 2022 bei umgerechnet rund 470 Millio- nen US-Dollar (US$). Davon flossen rund 300 Millionen US$ in die Trinkwasserversorgung und -verteilung. Deutsche Anbieter mit Präsenz im Land können punkten Private Unternehmen schreiben nach Branchenanga- ben deutlich kompetitiver und weniger komplex aus als öffentliche oder internationale Auftraggeber. Dies führt dazu, dass lokal bekannte Unternehmen, mit denen gege- benenfalls bereits eine Lieferbeziehung besteht, zum Zuge kommen. Oft orientieren sich die Ausschreibungsanforde- rungen daher an deren technischen Spezifikationen. Chancen für deutsche Firmen bestehen jedoch durch- aus, sofern sie über eine Präsenz vor Ort verfügen und entsprechende Beziehungspflege betreiben. Dabei hilft ihnen nicht allein der gute Ruf von „Made in Germany". Sie profitieren auch davon, dass der chilenische Markt für Trinkwasserversorgung weiter entwickelt ist, als in ande- ren Ländern der Region. Im Gegenzug fallen an öffentli- che Empfänger ausgerichtete Finanzierungsprojekte von Entwicklungsbanken oder anderen internationalen Gebern in Chile quasi weg. In der Folge tun sich beispielsweise auf solche Ausschreibungen spezialisierte Beratungs- und Ingenieursdienstleister ohne lokale Vertretung schwer.

Hohe Wasserverluste und veraltete Infrastruktur: In der chilenischen Wasserversorgung besteht ein großer Nachholbedarf.

Investitionsstau führt zu Wasserverlusten Sowohl für den städtischen als auch den ländlichen Raum gilt: Das Trinkwassernetz des Andenstaates muss dringend überholt werden. Insgesamt umfasste es 2022 rund 42.549 Kilometer, das Abwassernetz 32.666 Kilome- ter. Laut SiSS wurden 2022 insgesamt zwar umgerechnet knapp 146 Millionen US$ in die Trinkwasserverteilung investiert. Branchenvertreter schätzen den Netzneubau auf etwa 1 Prozent im Jahr. Allerdings ist das bei einer von SiSS unterstellten Lebensdauer von 50 Jahren zu wenig. Um alle Rohre innerhalb dieser Frist zu erneuern, müssten es 2 Prozent sein. Ein Investitionsstau ist absehbar – schon jetzt werden 33,2 Prozent des gelieferten Trinkwassers „nicht in Rechnung gestellt", wie es offiziell heißt. Tatsäch- lich handelt es sich meist um Leckagen. Rohre müssen erneuert werden Abgesehen von den Leckagen gibt es einen weiteren Grund, das Trinkwassernetz zu ertüchtigen: Die Rohre bestehen zwar heute in erster Linie aus Kunststoff (vorwie- gend Polyvinylchlorid, PVC), es wurden aber auch Was- serrohre aus Asbestzement und Metallrohre verbaut. Seit 2000 ist der Einsatz von Asbestzement verboten. Der Altbestand wird allmählich ersetzt, in der Regel dann, wenn technische Gründe vorliegen. Eine Verpflichtung zum Austausch der Rohre gibt es jedoch nicht. Im Jahr 2022 bestanden 36,2 Prozent des Trinkwassernetzes aus Asbestzement. GTAI/IHK

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