WANDERN AUF SYMI VERGESSENE WEGE
Auf den alten Eselspfaden von Symi können Reisende das bewaldete Innere der kleinen Insel kennenlernen – und den Einfallsreichtum der Einheimischen. Text: Angela Locatelli
„Ela“ , ruft Valantis Makrakis schnaufend, eine Hand an der Seite, die andere zum Gruß erhoben. Ein junger Mann, der die abschüssige Straße hinuntertrabt, nickt zurück. Ihm folgt eine Gruppe Katzen. „Kalimera!“ , sagt Valantis zu einer Frau, die mit einem Schulter klopfen antwortet, ehe sie uns auf der Steigung überholt. Er dreht sich zu mir um und lächelt breit, in seinen dunklen Augenbrauen hängen kleine Schweißperlen. „Ich kenne hier jeden.“ Valantis zeigt mir die winzige Insel Symi. Er ist hier aufgewachsen und arbeitet im Nireus, einem Hotel in der einzigen Stadt, die ebenfalls Symi heißt. Neoklassizistische Häuser, ocker- und rostfarben gestrichen und mit blauen Farbtupfern versehen, schmiegen sich an die theatralische Bucht. Diese Architektur ist die Visitenkarte von Symi – das Erste, was Besuchern auf ankommenden Fähren auffällt, und das Bild, das sie auf Postkarten mitnehmen werden. Die Stadt Symi liegt im Norden der Insel. Sie ist unterteilt in den Hafen Gialos mit seinen Restaurants
und Geschäften, die Tagesausflügler aus dem nahe gelegenen Rhodos willkommen heißen, und Chorio, ein älteres Wohnviertel am Hang. Kali Strata, eine Straße mit 400 Stufen, auf der wir gerade unterwegs sind, verbindet die beiden. Valantis hält inne, um Luft zu holen, und ich nehme die Details der Häuser, die die Straße auf beiden Seiten säumen, in Augenschein: die weiß gestrichenen Fenster, die Oberlichter an den Giebeln. Zwischen den gepflegten Fassaden stehen Ruinen. Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört, und die Bevölkerung hat sich von der anschließenden Abwanderung nie erholt: Von den 22 000 Einwohnern, die hier lebten, sind nur noch etwa 3000 übrig. „Es ist schön, überall Freunde zu haben und ihnen zu helfen“, sagt Valantis über die engmaschige Gemeinschaft, die sich unter den Insulanern gebildet hat. „Wir haben nur einen Arzt, im Winter gibt es nur zwei Passagierfähren pro Woche. Die Insel ist manch mal schwierig.“ Die Einheimischen hätten gelernt, sich
34 NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER 3/2025
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