ABENTEUER
Autos sind rar, Reiter dürfen die Wiesen überqueren. Immer wieder bieten sich vom Pferderücken beeindruckende Ausblicke.
an Baumstümpfen, schwarze Knopfaugen blickten immer wieder wachsam zu uns Menschen herüber. Schwierig, den Anblick nicht niedlich zu finden, doch Wildtierführer wie Alex Popa kritisieren diese Art der Beobachtung: „Bären meiden Menschen. Werden sie jedoch gefüttert, verbinden sie Touristen mit Futter und verlieren die Scheu vor ihnen.“ Erst im vergange- nen Sommer kam in den Karpaten eine Touristin ums Leben, weil ein ausgewachsener Bär zu aufdringlich wurde. Ich bezweifle, dass die Jagdhütte zur Bären- beobachtung eine gute Idee ist, schaue aber dennoch fasziniert den herumtollenden Braunbärjungen zu. Ursprünglicher und ganz in der Nähe ist der dichte Urwald im Strambatal, ein sich selbst überlassenes Stück UNESCO-Welterbe. Rund zwei Stunden dauert eine geführte und gut ausgeschilderte Wanderung zwischen jahrhundertealten Laub- und Nadelbäumen, deren Wipfel so hoch in den Himmel ragen, dass einem beim Blick nach oben schwindelig wird. Um auf dem steilen Rundweg nicht zu stolpern, empfiehlt es sich ohnehin, nach unten zu schauen. Wo die Füße im wei- chen Laub versinken, flitzen schwarz-gelb glänzende Feuersalamander in steinige Spalten und erobern fas- zinierende Pilzformationen das Totholz. Im wahrsten Sinn des Wortes ein Highlight der Strecke ist die mit 55 Metern höchste Buche Europas – eine imposante Erscheinung, die einen schon wieder schwindeln lässt. Das Land zu Pferd entdecken Während ich im Regen durch diesen Urwald stapfe, trage ich noch meine Reithose. Die zwei vorausgegan- genen Tage hatte ich im Sattel eines weißen Shagya- Arabers verbracht, um die rumänischen Karpaten zu Pferd zu erkunden. Wie alle Pferde von Equus Silvania, einer Reiterpension in der Gemeinde Șinca Nouă bei Brașov, ist mein Tier, Shagal, trittsicher, mutig und voller Energie. Steile Hangpassagen mit Baumwurzeln und Felsen? Trotz Reitergewicht kein Problem für den zierlichen Schimmel. Ein flotter Trab quer über eine der riesigen Wiesen? Immer gerne! Ein langer Galopp, der so schnell ist, dass einem der Wind die Tränen in die Augen treibt und die Hinter- hufe zu Schlammschleudern werden? Shagal fliegt mühelos dahin und ist auch am Ende eines fünfstün- digen Ausritts noch voller Energie.
Wer bei Equus Silvania eine Reitreise bucht, sollte sattelfest sein, kommt aber voll auf seine Kos- ten. Die Umgebung ist zum Trailreiten wie gemacht. Autos sind rar, die Wiesen, auf denen Kühe grasen, dürfen Reiter überqueren, im Wald laden Sandwege zu schnelleren Gangarten ein, und immer wieder bieten sich vom Pferderücken aus beeindruckende Ausblicke über die bewaldeten Hügel. Obwohl die Pferde Temperament haben, lassen sie sich von den zahlreichen Hütehunden, die ihren Job sehr ernst nehmen, kaum irritieren. Wir durchqueren auf unseren Pferden Flüsse und Dörfer, in denen es nach Holzfeuer riecht, lassen die Vierbeiner grasen, wenn sie eine Pause brauchen, führen sie auf steilen Wegen bergab und entlassen sie abends in ihre Herde, die direkt neben dem Wohn- haus lebt. Zu Shagals rotem Zaumzeug erzählt mir Catherine Cords, Stallmanagerin und Rittführerin aus Deutschland, eine Geschichte: Rot sei nach einem rumänischen Aberglauben die Lieblingsfarbe des Teufels. Sei er in der Nähe, stehle er nur das Zaum- zeug, nicht aber das wertvolle Pferd. Pferde stellen in Rumänien nach wie vor beliebte Fortbewegungsmittel dar. Immer wieder sind Fuhr- werke aus Holz auf den Straßen zu sehen, parken vor Supermärkten oder stehen am Rand eines Feldes. Auch im Leben von Christoph Promberger und Bar- bara Promberger-Fuerpass bedeuten die Vierbeiner viel. Der Deutsche und die Österreicherin haben Equus Silvania 2004 gegründet, um Touristen vom Pferderücken aus das Land zu zeigen. Seit mehr als 30 Jahren engagieren sich der Forstwissenschaftler und die Biologin zudem für Tier-, Natur- und Land- schaftsschutz. „Ich kam 1993 wegen der Wölfe nach Rumänien und wollte eigentlich nur drei Jahre bleiben“, erzählt Promberger. Wölfe sind ihm immer
Im Uhrzeigersinn (v. l. o.): Pferde und Reiter von Equus Silvania sind bereit für einen Ausritt durch die Karpaten. Das rote Zaumzeug schützt den schnellen Shagya- Araber Shagal vor dem Bösen. Abendessen mit Aussicht bietet die abgelegene Bunea Wilderness Cabin.
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RUMÄNIEN
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