ABENTEUER
Mit der Beobachtung von Braunbären lässt sich mehr Geld verdienen als mit ihrem Abschuss. So bringt der Nationalpark Vorteile für die Region.
Jagdpächter um ihr Geld, und Schäfer sorgen sich um ihre Herden. Conservation Carpathia versucht, die Sorgen aller ernst zu nehmen und die Bevölkerung einzubinden. Die Stiftung ist mit Politik und Behör- den im Gespräch und verschenkt etwa Elektrozäune und Hütehunde an Hirten. Reißt ein Bär ein Schaf, bekommt der Schäfer eines von der Stiftung zurück. Auch ökonomische Studien gaben die Prom- bergers in Auftrag, um die Bevölkerung zu über- zeugen: „Wenn die Menschen sehen, dass sie mit Bärenbeobachtung mehr Geld verdienen als mit dem Abschießen der Bären, sehen sie den Vorteil, den ein Nationalpark mit Tourismus für die gesamte Region bringt“, sagt Christoph Promberger. Den Tourismus will die Stiftung mit Travel Carpathia stärken, einem Reiseveranstalter für Ökotourismus. Die Idee ist, Urlaubern die Natur, Kultur und Tierwelt sowie die Aktivitäten der Stiftung auf geführten Touren in den geschützten Gebieten nahezubringen. In der Wildtierbeobachtungshütte Bunea klappe ich etwas enttäuscht das Gästebuch zu. Die Einträge sind kaum noch lesbar, denn die Sonne ist inzwi- schen hinter den Făgăraș-Bergen untergegangen. Ein wenig Licht spenden nur noch die Kerzen auf dem Tisch und der Ofen, in dem ein paar Holzscheite brennen. Heute Abend waren die Eichelhäher mit ihren auffällig blau-schwarzen Flügeln die einzigen tierischen Besucher hinter der Hütte. „Die Bären hatten wohl andere Pläne“, sagt Guide Alex Popa beim Abendessen. „Aber gib die Hoffnung nicht auf. Oft streifen sie nachts vorbei oder grasen auf der Lichtung, sobald es dämmert.“ Dass in Rumänien immer wieder Trophäenjäger aus dem Ausland viel Geld bezahlen, um einen Bären schießen zu dürfen, kann der 41-Jährige nicht nach- vollziehen: „Es macht mich zutiefst traurig, dass Menschen so sind. Ein Bär würde niemals von sich aus einen Konflikt suchen, er verschwendet keine Energie, um zu kämpfen. Das machen nur Menschen.“ Orte, die Hoffnung machen, dass die Welt ein bisschen besser wird, hatte Alex Popa mir heute Nachmittag auf der Fahrt in die Wildnis gezeigt. Ein Fortbildungszentrum mitten im Wald zum Beispiel, in dem sich die Guides von Travel Carpathia für Fortbildungen treffen und rumänische Schulkinder
noch wichtig, doch längst geht es um viel mehr: Die Prombergers haben die Stiftung Conservation Carpathia gegründet. Sie schützt intakten Wald vor Abholzung, verwildert bewirtschafteten Forst wieder und schafft so die Voraussetzungen dafür, dass sich Großraubtiere wie Wolf, Bär und Luchs in den Kar paten weiter wohlfühlen. Ein Philanthrop aus der Schweiz unterstützte von Beginn an das Projekt, das inzwischen auch EU-Gelder erhält. „Zuerst wollten wir nur die Wälder im Nationalpark Piatra Craiului schützen“, sagt Prom- berger über die Anfangszeiten. „Doch dann flog der Schweizer Geldgeber mit einem Helikopter über das Gebiet, um sich das Ganze von oben anzuschauen, sah die Făgăraș-Berge und meinte, das sei der euro- päische Yellowstone-Park.“ Als Nächstes kommen die Geier zurück Mithilfe des Schweizers und weiterer Spender er- standen die Prombergers ein Stück Wald nach dem anderen; bis heute kommen neue Areale hinzu. Inzwischen besitzt die Stiftung rund 28 000 Hektar Land – größer als der Nationalpark Bayerischer Wald – und beschäftigt mehr als 150 Mitarbeitende. Sie forsten abgeholzten Wald wieder auf, schützen Bären, Wölfe und weitere Tiere vor Wilderern, haben Biber und Bisons wieder angesiedelt. „Als Nächstes wollen wir Gänse-, Mönchs- und Bartgeier zurück- holen, die in Rumänien seit 100 Jahren ausgerottet sind“, erzählt Christoph Promberger im Esszim- mer von Equus Silvania. Das ehrgeizige Ziel sind 250 000 Hektar geschütztes Land. Nicht bei allen stößt die Idee, in Rumänien den Yellowstone-Park Europas zu schaffen, auf Begeiste- rung. Die Holzindustrie verliert Fläche, Trophäen- jäger aus dem Ausland fürchten um ihr Hobby,
Im Uhrzeigersinn (v. l. o.): Ein giftiger Fliegen- pilz im Wald auf dem Wanderweg zur Bunea Wilderness Cabin. Die berühmte Kirchen- burg von Viscri. Guide Marius Ursaciuc führt im traditionellen rumäni- schen Hemd durch die Altstadt von Sighișoara in Siebenbürgen. Der historische Innenraum der Kirchenburg von Viscri.
60 NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER 3/2025
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