NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER

GUTER GESCHMACK ARUBA

Holländische und portugiesische Aromen verleihen den lokalen Meeresfrüchten auf der Karibikinsel internationales Flair. Weitere Spezialitäten sind deftige Eintöpfe – und käsegefülltes Gebäck!

TEXT: JAMES MARCH

Sherwin Muller lehnt sich auf dem Kapitäns- sitz zurück, kreuzt seine Füße in den ab- gewetzten, olivgrünen Sandalen und steuert unseren Trawler aus der Aruba Renaissance Marina. Es ist 7.30 Uhr. Die Brise, die durch das Oberdeck des Bootes weht, ist an diesem feuchten Morgen gnädig, als das ruhige Hafengewässer dem kabbeligen Rollen des karibischen Meeres weicht. „Ich bin der einzige Fischer in meiner Familie“, sagt Sherwin, der seit elf Jahren bei Hatts Off Fishing Charters tätig ist. „Meine Mutter hat in einer Ölraffinerie gearbeitet, und mein Vater war Polizist.“ In seinem fleckigen grauen Kapuzenpulli und geblümten Shorts ist Sherwin ein Bild der Gelassenheit, während ich hoffe, dass mich meine wackligen Beine nicht im Stich lassen. Aruba ist eine fischbesessene Insel, und diese Expedition bietet Einblick in den Alltag der Fischer, die die traditionelle Methode der Leinenfischerei anwenden. In jedem Hotel und Restaurant auf Aruba wird Fisch serviert, vom saftigen Zackenbarsch bis zum kleinen, muskulösen Oktopus. „Als ich jung war, habe ich immer die Jungs beobachtet, die mit Wahoo und Mahi Mahi ankamen“, sagt Sherwin und zeigt auf die Docks. Plötzlich schießt ein metallisch blauer Wahoo aus dem Wasser, Sherwin springt auf und gibt seiner Crew unten in Arubas lokaler Kreolsprache Papiamentu Befehle. Das Einholen des zappelnden, barrakuda­ ähnlichen Raubfischs dauert etwa fünf Mi- nuten. Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor.

Mein rechter Arm fühlt sich danach schlapp an, mein T-Shirt ist schweißgetränkt. „Das ist ein Workout, oder?“, sagt Sherwin und lacht. Atemlos antworte ich, dass ich mich mit einer gewissen Ehrfurcht an diese Schinderei erinnern werde, wenn ich mich später zum Abendessen setze. Aruba liegt im Süden des Karibischen Meeres, kaum 25 Kilometer von der Küste Venezuelas entfernt. Die Insel ist nur 31 Kilometer lang, und ihre Hauptstadt Oranjestad aus dem 18. Jahrhundert, einst blühende Handelsstadt, ist heute ein luftiger, pastellfarbener Boxenstopp für die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die jede Woche in den geschäftigen Hafen einlaufen. Doch wenn man das grelle Flair des Hafens Oranjestad und den gut betuchten Strip von Palm Beach an der Westküste hinter sich lässt, erscheint Aruba ganz anders: Das ungewöhn­ liche Wüstenklima sorgt für hügelige, von Kakteen gesäumte Pfade. Meeresfrüchte stehen praktisch auf jeder Speisekarte dieser multinationalen Insel, aber die Einheimischen lieben auch Käse und frittiertes Soul Food. Ich halte bei Huchada an, einer familiengeführten Bäckerei am Straßenrand, vor deren gut bestückten Theken sich morgens eine geduldige Schlange bildet. Ich bestelle eine Auswahl von Spezialitäten, darunter die allgegenwärtigen pastechi mit Käse. Die kleinen, warmen, mit geschmolze­ nem Gouda gefüllten Halbmonde sind un- widerstehlich – die dezente Süße des Teigs balanciert den salzigen Käse. „Auf Papiamento

Im Uhrzeigersinn (v. l. o. ): Boca Grandi Beach an der Südost­ küste Arubas, ein beliebter Spot zum Wind- und Kitesurfen. Thunfisch-Tatar im Restaurant Taste my Aruba in Oranjestad. Rodger’s Beach nahe der Südspitze der Insel. Das Coco Cafe im Boardwalk Boutique Hotel.

64 NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER 3/2025

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