NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER

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April bis August sind die Eintrittszahlen behördlich auf 5650 Personen pro Tag begrenzt, um die Ruinen und das Besuchserlebnis nicht zu sehr zu belasten. In der Anlage trippeln ein paar Alpakas auf der Suche nach dem saftigsten Gras auf den Terrassen herum. Touristen, die es ihnen gleichtun wollen, wenn auch auf der Suche nach dem besten Fotospot, werden von Wächtern mit schrillen Trillerpfeifen zurückgerufen. Gekonnt navigiert Edwar uns von Aussichtspunkt zu Tempel, von architektonisch spannendem Bau- werk zum Zeremonienplatz. „Machu Picchu war auf- geteilt in Tempelanlage und Landwirtschaft. Etwa 900 Menschen wohnten dauerhaft hier, König und Adel kamen nur hin und wieder aus Cusco vorbei“, erzählt er. Trotz Massenabfertigung ist der Besuch ein Erlebnis, die Architektur, die mit besonderen Sonnenständen spielt und heilige Berge oder Tiere abbildet, beeindruckt. Dazu die Keramik, Textilien und Pflanzenreste aus dem ganzen Inkareich. „Sie- ben Wege führten aus allen Ecken des Reichs hier- her“, sagt Edwar. So konnten die unterschiedlichsten Nahrungsmittel herangeschafft werden. Während der Fahrt zurück nach Cusco verändert sich die Landschaft. Üppig grüner Dschungel mit Orchideen auf den Bäumen und bunten Vögeln, die an den Panoramadachfenstern unseres Touristen- zugs vorbeifliegen, geht langsam über in trockenes Hochland. Mitten im Nirgendwo sehe ich nahe am Fluss Maisfelder, Bananenstauden, kleine Gärten, in denen Hühner zwischen kreuz und quer rankenden

Kürbissen picken, und einen Fußballplatz. Später grasen Kühe zwischen Kakteen. Einen ähnlichen Wandel erlebe ich gegen Ende der Reise auf einer Wanderung. Der zweieinhalb­ tägige Anmarsch nach Choquequirao verlangt mir einiges ab; die Ausgrabungsstätte ist nur zu Fuß erreichbar. Ich spüre die Höhe, die Hitze. Erst legt sich Staub auf die Zunge und die mit Sonnencreme verschmierte Haut, dann spült der Schweiß, der mir in der feuchten Luft ausbricht, alles wieder herunter – leider auch das Antimückenspray. Der Pfad führt zu- erst 1650 Höhenmeter hinab zum Fluss Apurímac, ein Quellfluss des Amazonas. Auf der anderen Seite geht es dieselben Höhenmeter wieder hinauf. Die Pferde mit unserem Gepäck sind weit voraus. Ein Kondor kreist hoch über mir, bekanntermaßen ein Aasfres- ser. Vor einigen Jahren hatte die Tourismusbehörde Promperú eine Seilbahn zur besseren Erreichbarkeit der Ruinen geplant. Warum nur wurde sie nie gebaut? Machu Picchus kleine Schwester Bezüglich der Strapazen hat Wanderführer Washi, der uns begleitet, nicht übertrieben. Auch nicht, was die Begegnungen mit Taranteln – faszinierend und abstoßend zugleich – und die Einsamkeit angeht. „In einem ganzen Jahr besuchen so viele Leute Choque- quirao wie Machu Picchu an einem einzigen Tag.“ Choquequirao wurde unter Pachacutec, dem Gründer Machu Picchus, wohl als Verbindung zwischen Cusco und dem Amazonas gebaut. Es gilt als letzte Bastion

Oben (l. u. Mitte): Die mit Lama-Darstellungen verzierten Terrassen in Choquequirao sind wegen der extremen Lage an einem Steil- hang keine zwei Meter breit. Mittagspause für die Pferde. Sie tragen das Gepäck auf der Wanderung zur Ruinen- stadt Choquequirao.

84 NATIONAL GEOGRAPHIC TRAVELER 3/2025

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