Ruhepausen, um die Augen schweifen und die Seele baumeln zu lassen, machen das Wandererlebnis erst richtig rund.
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Wahre Berge an Äpfeln und Birnen so- wie Warteschlangen der Anlieferer vor den typischen Mostpressen sind dann nicht zu übersehen. Generationen von Kindern, die auch heute noch beim „Obst-Klauben“ mit anpacken müssen, sind in den Dörfern mit dem Apfelsaftgeruch in der Nase aufgewachsen. Für viele Remstäler ist die Anhängerkupplung selbst am feinsten Mercedes selbstverständlich, damit das viele Mostobst bis in den goldenen Oktober transportiert und versilbert werden kann. Die sogenannten „Stückles-Besitzer“ tragen große Verantwortung für den Erhalt dieser Naturlandschaft. Das wurde auch in den Blickpunkt gerückt, als sich die 16 Städte und Gemeinden 2019 im „Unendlichen Garten“ vereinten. Das war das Motto dieser bislang einzigartigen Raumschaft-Gartenschau. „Genieße das Wandertal“ Vom 3. bis zum 7. August 2022 sind der Schwäbische Albverein und die Remstal- Kommunen Gastgeber des 121. Deutschen Wandertags. Bei dem Veranstaltungs- angebot kann es einem Wander-, Natur- und Kulturfreund schon vor Vorfreude schwindelig werden. Fast 300 Seiten stark ist das Programm-Buch für den Wander- tag im und rund um das Remstal und die vielschichtigen Angebote vermitteln den Eindruck als würde der Zauber der
Weinbergen eingerahmt. Es führt bei Wein- stadt auch hinein in kleine Seitentäler, die wie Buchten und Steilküsten am „Meer der Weinanbauflächen“ wirken. In den letzten Jahren haben die Winzer viel investiert in Direktvermarktung mit Läden, gläserner Produktion und Eventflächen sowie ganz besonders in die Verfeinerung ihrer Rebsor- ten. „Nur“ Trollinger, das war einmal. Zu allen Jahreszeiten kommen Spazier- gänger, Wanderer und Radfahrer dort auf ihre Kosten. Weit schweift der Blick von den unzähligen Winzer-Sträßchen und typischen, schwindelerregenden „Weinberg- stäffela“ ins Remstal und weiter bis zum Ne- ckartal mit der Landeshauptstadt. Nur die Gleitschirm-Piloten im Flugrevier Korber Kopf haben eine noch schönere Aussicht. Fachwerk-Charme und Mostpressen Die Fachwerk-Dörfer und -Städtle, auch am Oberlauf der Rems, bewahrten ihren bäuerlichen Charakter. Ihre Äcker und Gärtnereien waren und sind Nahversorger für die gesamte Region. Auch von der uralten Kultur der Streuobstwiesen ist das Remstal geprägt. Die Obstbaumblüte in April und Mai verwandelt die 80 Kilometer zwischen Essingen und Remseck in einen weißen Blüten-Rausch. Und im folgenden Herbst haben die vielen kleinen und großen Mostereien Hochkonjunktur.
iner Perlenkette gleich, reihen sich im Tal der Rems 16 Städte und Gemeinden mit Sehenswürdigkeiten aus fast zwei Jahrtausenden aneinander. Schon die Römer fühlten sich im Remstal wohl: Sie schufen zwischen den beiden großen Reiterkastellen Cannstatt und Aalen durch das Remstal hindurch eine Verkehrs- und Siedlungsachse, die bis heute von zentraler Bedeutung für Indus- trie und Handel mit Anknüpfung Ostwürt- tembergs an die Landeshauptstadt ist. Viele Spuren des Limes, seiner Grenz- siedlungen und Kastelle sind im Remstal noch zu finden. Ab dem Mittelalter entwickelten sich stolze Festungsstädte und Marktorte. Vom wachsenden Wohlstand können beispielsweise die Sakral- und Barockbauten in der Kirchen- und Kloster- stadt Schwäbisch Gmünd oder auch der prächtige Fachwerkmarktplatz in Schorn- dorf erzählen. Weinanbau dank der Römer Die Römer brachten entlang des bestens ge- sicherten Handels- und Militärwegs neben der Töpferkunst auch den Weinanbau ins Remstal. Generationen von Handwerkern, Winzern und Wirtsleuten formten vor allem im unteren Remstal eine Kulturlandschaft, die gerne auch als „schwäbische Toskana“ bezeichnet wird. Zwischen Fellbach bis fast nach Schorndorf wird das Remstal von
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Schöner Südwesten 4 | 2022
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