NATUR
VOGEL DES JAHRES: DER WIEDEHOPF
Vogel-König im Rokokogewand Der Wiedehopf ist einer der schillerndsten heimischen Brutvögel. Durch die auffälligen orangen Scheitelfedern mit den schwarzen Punkten, die er bei Erregung aufrichtet, ist er ein echter Hingucker. Selten geworden, bekommen ihn nur sehr wenige Menschen zu Gesicht. Von Günter Künkele
I
Brautpaar. Nervös hebt und spreizt er seinen großen, an einen Indianerhäuptling
Beutetierangebot erheblich. Hinzu kamen unter anderem Verluste an Lebensräumen zum Beispiel durch Umwandlung von Wie- sen in Äcker, Beseitigung von Kleinstruktu- ren und Rodung von alten Bäumen in den letzten verbliebenen Brutgebieten am Kaiserstuhl, im Tauber- und Markgräfler- land sowie direkte Verfolgung in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten. Mitte der 1990er Jahre wurden lediglich noch 20 Brutpaare des einstmals in Baden- Württemberg im gesamten Oberrheingebiet, im Tauber-, Neckar-, Bodenseeraum und Albvorland weit verbreiteten Prunkstücks der Vogelwelt gezählt. Durch diverse Schutz- maßnahmenbrüten aktuell im Land wieder 210 Paare des „Königs der Vögel“, gekrönt bereits vom griechischen Komödiendichter Aristophanes in seinem Bühnenstück „Die Vögel“ aus dem Jahr 414 v. Chr. Tausende Flugkilometer Wiedehopfe können sowohl Kurz- als auch Weitstreckenzieher sein. Ihr Wegzug zu den Winterquartieren im Mittelmeerraum oder im tropischen Afrika, südlich der Sahara, setzt bereits wieder nach 5 Monaten ein. Trotz ihres etwas unbeholfen wirkenden Fluges mit unregelmäßigen Flügelschlägen sind sie in der Lage, zweimal im Jahr Distanzen von Tausenden Kilometern zu bewältigen und das Mittelmeer zu überque- ren. Dabei gibt der Vogel auch im Flug ein schönes Bild ab: Schwanz und Schwingen sind kontrastreich schwarz-weiß gebändert. Wenn Hopfe mit ihren fünf Zentimeter
m alten deutschen Kinderlied „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“ wird die Vermählung zweier Vögel besungen: „Die Drossel war der Bräutigam, die Amsel war die Braute“. Unter den prominenten gefiederten Hochzeitsgästen fällt ein Vogel durch sein extravagantes Federkleid und ein ausgefallenes Brautgeschenk auf. „Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der bringt der Braut ´nen Blumentopf“, verraten die Kinder fröhlich singend in einer Strophe des aus dem 15. Jahrhundert stammenden Volksliedes. Der Wiedehopf, Upupa epops, gilt unter Ornithologen als „Rokokogestalt“ der Vogelwelt. Federkleid, charakteristische Eigenschaften und Verhaltensweisen dieser anmutigen Vogelschönheit erinnern an die fantasievolle, verspielte Stilrichtung des Rokoko im Spätbarock von 1730 bis 1780. Voltaire bezeichnete das Rokoko mit seinem Kunst- und Lebensstil als „das Jahrhundert der Kleinigkeiten“, das von einem leicht- füßigen, feinen Lebensstil, vornehm-zarter Sinnlichkeit, ausufernden Verzierungen und galanten Umgangsformen geprägt war. Im Lied von der Vogelhochzeit hat die Strophe über den Wiedehopf Symbolcha- rakter, da Heiraten redensartlich als „unter die Haube kommen“ bezeichnet wird. Kein Zufall also, dass der schöne Wiedehopf, in Prachtrobe gekleidet und mit prunkvoll gefächerter Haube auf dem Haupt, das Brautgeschenk überreichen darf. Ganz in Wiedehopfmanier nähert sich der Galan feierlich mit kleinen Trippelschritten dem
erinnernden Federschopf. Hopfe als Spätbrüter
Diesen aufrichtbaren, prächtigen, rostroten Federfächer mit schwarzen Spitzen präsen- tiert der amselgroße Vogel nur zu besonde- ren Anlässen: hauptsächlich bei der Landung, wenn er balzt, beunruhigt oder aufgeregt ist, wie vor der Übergabe des Brautgeschenks im Kinderlied. Der Wiedehopf ist in unstetem, schmet- terlingsgleichem Wellenflug erst kurz vor Beginn der Hochzeitszeremonie des Brautpaares eingetroffen. So ist es auch in Wirklichkeit: Erst wenn die meisten ande- ren Vögel wie Fink und Star bei uns längst verlobt sind oder bereits Hochzeit machen, kehren Wiedehopfe ab Anfang April in ihre einheimischen Brutreviere zurück. Ihr Heimzug und ihre späte Brut sind zeitlich abgestimmt auf ihre artspezifischen Nahrungsangebote im Sommer. Große Insekten wie Heuschrecken, Grillen, Mai- und Mistkäfer, Spinnen, Larven, Rau- pen und Schnecken stehen in dieser Zeit auf dem Speisezettel. Leibspeise sind große Maulwurfsgrillen, auch Werren genannt, die zu Unrecht im Ruf standen, schädlich zu sein. Inzwischen steht nicht nur der Erd- hopf selbst, sondern auch diese Haupt-Nah- rungsgrundlage bundesweit auf der „Roten Liste“. Der Biozideinsatz in Wein- und Obstanbaugebieten zur Bekämpfung von Werren und Maikäfern verknappte das
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Schöner Südwesten 4 | 2022
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