NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

T I ERE IN DER GESCHICHTE

Die Schlange: Symbol der Heilung und des Sündenfalls In der östlichen Mythologie symbolisierte die Schlange den Kreislauf von Leben und Tod. Erst später wurde sie mit der Gestalt des Teufels identifiziert.

BRONZESCHLANGE Möglicherweise diente sie als Amulett (12. Jahrhundert v. Chr., Eretz Israel Museum, Tel Aviv).

I n der biblischen Erzählung über die Erschaffung der Welt gibt der Mensch allen Tieren Namen. Nur eines dieser Tiere lernen wir auch namentlich kennen: Die Schlange spielt bereits im Text der Genesis eine tragende Rol- le – ihre Erwähnung bleibt in weiteren Erzählungen der Heiligen Schrift des Judentums eine Konstante. In der biblischen Landschaft, dem al- ten Israel, waren Schlangen weit verbrei- tet. Wie vertraut die Israeliten mit dem Reptil waren, ist schon daran erkennbar, dass in den biblischen Texten zahlreiche Wörter für Schlangen verwendet werden. Das gebräuchlichste ist nahash ; es soll

seinen Ursprung in den Zischlauten der Schlangen haben. Andere Wörter wie zachal oder tannin beziehen sich in un- terschiedlichem Kontext auf Schlangen; man vermutet sogar, dass spezifische Ar- ten gemeint sein könnten. Saraph etwa, die „feurige Schlange“ (4. Mose 21,8), könnte eine Giftschlange sein, deren Biss wie Feuer brannte. Der Text der Genesis charakterisiert die Schlange als „das klügste aller Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte“. Sie ist listig und stiftet Eva an, vom Baum der Erkenntnis zu essen, doch anders als häufig angenommen, trägt sie in dieser Erzählung keine dämoni-

schen Züge oder ist gar als Synonym für den Teufel zu verstehen. Ihre Rolle verweist vielmehr auf ältere Mythen des Nahen Ostens, in denen das Reptil auf- grund seiner Eigenschaft, sich zu häuten, mit der Erneuerung des Lebenszyklus und der Wiedergeburt in Verbindung gebracht wird. Bereits im sumerischen „Gilgamesch-Epos“ verliert der Held seine Unsterblichkeit, als sie ihm von einer Schlange gestohlen wird. So ver- dammt auch die Sünde Adams und Evas die Menschen zur Sterblichkeit: „Denn Staub bist du, und zum Staub musst du zurück.“ (Gen 3,19) Eine magische Kreatur An mehreren Stellen im Alten Testament spielen Schlangen in magischen Hand- lungen eine Rolle. Dazu zählt die im Buch Exodus geschilderte Szene, in der Moses’ Bruder Aaron seinen Stab vor dem Pharao in eine Schlange verwandelt. Denselben „Trick“ beherrschen auch die ägyptischen Magier. Der Beweis für die Macht Gottes liegt daher nicht in der erstaunlichen Um- wandlung selbst – sondern in der Tatsa- che, dass die hebräische Schlange die der Ägypter verschlingen konnte. Das Buch Numeri erzählt, wie sich die Israeliten nach jahrzehntelanger ziello- ser Wanderschaft gegen Gott wandten, weil sie dachten, er würde sie in der Wüs- te sterben lassen. „Da schickte der Herr

MOSES hält den Stab mit der Kupferschlange (Öl- gemälde, 1640, Dayton Art Institute, Dayton, Ohio).

BRIDGEMAN / ACI

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