Dachstühle und Dachschalungen an, während Schmiede, Klempner, Dachdecker, Schieferdecker und Seiler ihre jeweiligen Spezialaufgaben über- nahmen. Die dekorativen Arbeiten übernahmen Mosaizisten, Stuckateure und Künstler, die die Wände fertig dekorierten und die Skulpturen far- big bemalten. Glaser bauten und installierten die kunstvollen Fenster und Rosetten, und es gab sogar Glöckner, die die Glocken vor Ort gossen. Alle diese sehr unterschiedlichen Handwerks- teams wurden von einem Leiter koordiniert: dem magister operis . Anfangs waren dies Maurer oder Steinmetze, die sich durch ihre Fähigkeiten und einen gewissen Unternehmergeist auszeichne- ten, doch nach und nach lösten sich diese Meis- ter von ihrer handwerklichen Tätigkeit und über- nahmen eine eher intellektuelle Rolle, ähnlich den heutigen Architekten. Pierre de Montreuil (um 1200–1267), der maßgeblich an der Kathe- drale Notre-Dame in Paris arbeitete, bezeichnete sich in seinem Epitaph als doctor lathomorum , also „Doktor der Steinmetzkunst“, ein Titel, der Universitätsrang hatte. „Er hat es gemacht“ Doch die Baumeister zogen wegen ihrer privi- legierten Stellung gegenüber den anderen Arbei- tern auch immer wieder Kritik auf sich. Mitte des 13. Jahrhunderts äußerte sich der Mönch Nico- las de Biard verächtlich: „[Bei Bauarbeiten] gibt es gewöhnlich einen Hauptbaumeister, der nur mündliche Anweisungen gibt, aber selten oder nie selbst Hand anlegt und dennoch höhere Löhne erhält als die anderen […]. Die Baumeister der Maurer sagen mit dem Stab in der Hand zu den anderen: ‚Schneide mir den Stein hier entlang.‘ Selbst arbeiten sie nicht, obwohl sie einen sehr hohen Lohn erhalten.“ Während der Romanik trugen oftmals die Bau- meister die letzte Verantwortung für den Bau, es wurden aber auch unabhängige Bauleiter für die Ausführung der Arbeiten beauftragt. Bei einigen Bauwerken finden wir Inschriften, in denen ein Eigenname zusammen mit dem Ausdruck me fecit , „er hat es gemacht“, angegeben ist. Es ist jedoch unklar, ob diese Namen den Bauherrn, den letztendlichen Verantwortlichen für das
STEINBRUCHARBEITER
GEMEINSAME ANSTRENGUNG Buntglasfenster aus der Kathedrale von Chartres, das den Wiederaufbau des Gebäudes zu Beginn des 13. Jahrhunderts zeigt. Ein Brand zerstörte das Gotteshaus 1194. Dargestellt sind auch der magister operis bei der Planung der Arbeiten und die verschiedenen Facharbeiter, die die Schritte ausführten. Das um 1210 entstandene Original wurde 1816 zerstört und 1927 restauriert.
32 NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY
Made with FlippingBook flipbook maker