NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

Schwester Arsinoe beseitigen, schenkte Kleopa­ tra großzügig römische Besitzungen im Osten wie die Inseln Kreta und Zypern und verlieh ihr den Titel „Königin der Könige“. Antonius ließ sich von seiner römischen Ehefrau scheiden und heiratete Kleopatra. Das Paar bekam drei Kinder. Das war mehr, als sich Kleopatra je erträumt hatte. Doch das Glück war trügerisch. Denn im Wes­ ten rüstete Octavian zur Entscheidung im Kampf um die Macht im Römischen Reich. Die Liaison zwischen Antonius und Kleopatra lieferte ihm willkommene Munition für eine beispiellose Propaganda-Kampagne. Die nymphomanische Zauberin vom Nil habe Antonius verhext, hieß es, und ihn seines Verstandes beraubt. Octavian verlas im Senat das Testament des Antonius, in dem dieser seinen Wunsch kundtat, nicht in Rom, sondern in Alexandria an der Seite Kleopatras bestattet zu werden. Damit war das Maß voll. Der Senat erklärte Kleopatra den Krieg – nicht Anto­ nius, denn es sollte der Eindruck eines neuer­ lichen Bürgerkrieges vermieden werden. Die Entscheidung fiel am 2. September im Jahr 31 v. Chr. Octavian besiegte in der Schlacht von Actium vor der Nordwestküste Griechenlands die Flotten der Kleopatra und des Antonius. Noch einmal versuchte Kleopatra, ihre erfolgreiche Me­ thode zu aktivieren. Doch Octavian, sechs Jahre jünger als die Königin, zeigte sich bei einer zag­ haften Kontaktaufnahme immun gegenüber allen Avancen. Am 12. August 30 v. Chr. nahm sich Kle­ opatra im Alter von 39 Jahren das Leben, stilecht ägyptisch durch den Biss der Uräus-Schlange. Die Ägypter glaubten, der Biss des heiligen Tieres des Gottes Amun-Re bedeute die Entrückung des Opfers zum Sonnengott (s. Kasten rechts). Von dieser Todesart berichten jedenfalls die römi­ schen Quellen, die, wie manche Forscher ver­ muten, möglicherweise vom Sieger Octavian gesteuert waren, der damit die Fremdheit und Exotik Kleopatras betonen wollte. Da sich die Makedonin Kleopatra in der Rolle der Ägypterin gefiel, gibt es aber keinen Grund, an dieser Form des Selbstmordes zu zweifeln. Auch im Tod zeigte Kleopatra jene unbeirrbare Konsequenz, die ihr ganzes Leben geprägt hatte. Mit ihrem freiwilligen Tod entging sie der Demü­ tigung, als Attraktion in Octavians Triumphzug in Rom präsentiert zu werden.

TOD EINER KÖNIGIN MIT IHREM SELBSTMORD entzog sich Kleopatra der Rache Octavians – und machte sich bis heute unsterblich. Ob sie wirklich durch den Biss einer Schlange starb oder sich Gift in die Vene spritzen ließ, wird diskutiert. Das Reptil galt bei den Ägyptern als göttliches Tier. Die Art ihres Todes könnte zu Propagandazwecken verbreitet worden sein, um auf die Göttlichkeit Kleopatras hinzuweisen.

Auch Antonius hatte in der ausweglosen Lage Selbstmord begangen. Damit war der Weg frei für Octavian. Ägypten wurde von ihm, der danach als Kaiser Augustus Weltgeschichte schreiben soll­ te, dem Römischen Reich einverleibt. Kleopatra war gescheitert. Doch selbst ein Octavian konnte ihr seinen Respekt nicht versagen. Zwar ließ er seinen Lieblingsdichter Horaz auf die Nachricht von ihrem Tod schreiben: „Jetzt muss getrunken werden!“ Aber er ließ ihn in einem Nachruf auch hinzufügen: Sie war „keine unbedeutende Frau“ – aus dem Munde des nüchternen Octavian ein geradezu euphorisches Lob.

DER TOD KLEOPATRAS Künstler aller Epochen verewigten den dramatischen Tod der Königin. Oben eine Darstellung John Colliers aus dem Sammelwerk „Hutchinson’s History of the Nations“ (ca. 1890).

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BÜCHER Kleopatra. Gestalten der Antike Christoph Schäfer. wbg, 2006 Kleopatra. Ein Leben Stacy Schiff. Bertelsmann, 2013

KLEOPATRA 45

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