NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

WÜSTENSTADT Blick auf die Ruinen von Kocho (Gaoch­ ang) in der Oase Turfan. Die Stadt, ein wichtiger Knoten­ punkt an der Seidenstraße, hatte eine wechsel­ volle Geschichte; sie war zeitweilig das Zentrum unabhän­ giger Königreiche, mitunter stand sie aber auch unter direkter Kontrolle Chinas.

GEORG GERSTER / AGE FOTOSTOCK

die ganze zivilisierte Welt: lediglich abgestuft nach dem Ausmaß, in dem man sich der konfuzianisch geprägten Staatsdoktrin unterwarf. So wurde die Überbringung von Gütern durch die Repräsentanten anderer Länder nicht zuletzt als Bestätigung imperialer Legitimation bewertet. Blieben die Gaben aus, konnte das den Entzug des himmlischen Mandats ankündigen; denn nicht nur Naturkatastrophen, Aufstände und negative Vorzeichen kündigten das Ende einer Dynastie an, sondern auch die unzureichende Akzeptanz außerhalb des Reichs der Mitte. Tribut und Handel Umgekehrt konnte die huldvolle Entgegennah- me der Präsente von den fremden Potentaten als Bestätigung ihres eigenen Herrschaftsan- spruchs gedeutet werden. Zudem war der „Sohn des Himmels“ gehalten, sich mit Gegengaben für den Tribut zu revanchieren: zumeist in Form von Seide, aber auch durch die Verleihung wohl- klingender, wenn

auch wertloser Titel. Ohnehin beschränkte sich der jeweilige Nutzen der Beteiligten nicht auf den materiellen Zugewinn. Das war beim privaten grenzüberschreitenden Handel, der trotz strikter Verbote nie völlig unterbunden werden konnte, natürlich anders. Allerdings ist eine differenzierte Beurteilung der häufig diskret getätigten Geschäfte fast un- möglich. Die Kaufleute selbst scheuten nämlich im Allgemeinen die schriftliche Niederlegung ihrer Kenntnisse, bestand doch immer die Ge- fahr, dass die Aufzeichnungen in falsche Hände gelangen konnten: sei es an die Konkurrenz, sei es an die Steuerbehörde. Es ist also zu erwarten, dass das Handelsvolumen – auch der grenzüber- schreitenden Transaktionen – weitaus höher war als dessen Niederschlag in der Literatur. So blei- ben als Quellen häufig nur die Schilderungen, die Vertreter einer konfuzianisch geprägten Beam- tenschaft festhielten, die keinerlei Interesse an der Vermittlung objektiver Daten hatten, sondern lieber das Stereotyp vom „Schmarotzer“ am un- tersten Rand der Gesellschaft pflegten.

Hauptroute der Seidenstraße über Land

Erweiterung Richtung Konstantinopel und Rom

Der Warentransport war eine Herausforde- rung für die Menschen und ihre Lasttiere.

Weitere Handelswege

BELADENES LASTKAMEL. KERAMIKSTATUETTE (TANG DYNASTIE, 7. BIS 10. JAHRHUNDERT).

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