PORTRÄT von Antonie Brentano und zwei ihrer Söhne, 1810 ge- malt von Nikolaus Lauer. Beethoven- Haus, Bonn.
feste Vaterfigur gab – Beethovens Vater war eher ein Trinker als ein Musikliebhaber –, spielte Christian Gottlob Neefe die Schlüsselrolle in sei- ner Erziehung. Als Organist am Hof des Kurfürs- ten Maximilian Friedrich und seit 1782 Musik- direktor des Nationaltheaters, übernahm Neefe die musikalische Ausbildung des jungen Ludwig. In seinen Klavier- und Kompositionsstunden weckte der Lehrer in seinem Zögling die Liebe zur Musik der Bachs (Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel) und förderte seine begin- nende musikalische Karriere. Neefe war außer- dem ein Mann von großer Kultur, ein Kenner der Literatur und Philosophie seiner Zeit, wes- halb er auch Beethoven die aufklärerischen und freimaurerischen Ideale vermittelte, die seinem der „unsterblichen Geliebten“, an die Beet- hoven im Juli 1812 drei Briefe schrieb. Das Geheimnis um die Empfängerin dieser Liebeserklärung hat einen Nährboden für Spekulationen und Diskussionen aller Art geschaffen. Seit dem 19. Jahrhundert gaben verschiedene indirekte Hinweise, mehr oder weniger überzeugend, Anlass zu Spekulationen, und es wurden mehrere mögliche Kandidatinnen vorgeschlagen. In der Vergangenheit fielen die Namen von Therese von Braunschweig und Giu- lietta Guicciardi, die heutigen Gelehrten beschränken sich jedoch auf drei Damen: Gräfin Josephine von Braunschweig, Anto- nie Brentano, Ehefrau von Franz Brentano, und dessen Halbschwester Bettina. WER WAR DIE „UNSTERBLICHE GELIEBTE“? M ein Engel, mein alles, mein Ich ...“ Nur wenige Themen haben so viel Tinte in Bewegung gesetzt wie die mysteriöse Identität
DEA / ALBUM
Idealen der Französischen Revolution betrach- tete, für die sich einzusetzen Napoleon zunächst den Anschein erweckt hatte. Beethoven formte seine Überzeugungen weit- gehend in Bonn, seiner Geburtsstadt, in der er bis zu seinem 22. Lebensjahr lebte. Diese Lebens- phase, die für die Reifung seiner menschlichen und künstlerischen Persönlichkeit entscheidend war, wurde lange Zeit unterschätzt. Bonn, die Hauptstadt des Kurfürstentums Köln, damals ein unabhängiger Staat, war natürlich nicht Wien, aber seine geringere Größe und der dezentralere Charakter seiner Umgebung machten es zu einer Stadt, die offen für neue Ideen war. Auch Beethovens persönliche Beziehungen waren we- niger vom Protokoll oder der Zuge- hörigkeit zu geschlossenen sozialen Kreisen geprägt. Die intellektuelle Atmosphäre profitierte von den neuen Strömungen, die von außen kamen, sei es die Philosophie Kants oder die Poesie Schillers und Goethes. Es waren Jahre großer intellektu- eller Aufbruchstimmung. Da es keine
MEHR ALS EIN MUSIKLEHRER Christian Gottlob Neefe (1748–1798) ließ sich in Bonn nie- der, wo er Beethoven unter seine Fittiche nahm. Unten: Eine Gravur aus dem Beet- hoven-Haus in Bonn.
persönlichen Credo entsprachen. Das individuelle Glück
Das Umfeld der Universität, an der sich Beet- hoven 1789 einschreiben sollte, bot fruchtbaren Boden für die Verbreitung der Ideen der Aufklä- rung, denen gegenüber der neue Herrscher der Stadt, seit 1784 Maximilian Franz von Österreich, wohlgesinnt war. Er unterstützte Künstler und
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