NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

MIT EINEM KRUZIFIX GESCHLAGEN

über eine Kollaboration der Zarin und Rasputins mit den Deutschen kamen auf. Sie sollten als Spi­ one tätig sein und auf einen Separatfrieden mit dem Deutschen Reich hinarbeiten. Gerüchte über sexuelle Beziehungen zwischen der Zarin, Ras­ putin und der Wyrubowa machten zusätzlich die Runde. Diese Diskreditierung der Krone verlief parallel zu einer persönlichen Krise Rasputins. Trinken ohne Maß 1914 hatte Rasputin ein schweres Attentat überlebt. In der Folge begann er haltlos zu trinken – vielleicht sogar in der Ahnung, dass sein Ende nahte. Ihm war nicht verborgen geblieben, dass sich mächtige Kräfte gegen ihn wandten. Aufgrund seiner Verbin­ dung zu den höchsten Ebenen des Staates besaß er Einfluss auf die Verleihung wichtiger Positionen. Bittsteller überließen ihm hohe Geldsummen, die Rasputin für seine Vergnügungen ausgab, wodurch er sich weiter in Misskredit brachte. Um die Monarchie zu retten, musste der Bauer sterben – zu diesem Schluss kam ein Kreis von Verschwörern aus dem engsten Umfeld der Za­ renfamilie. Zentrale Figur des Komplotts war der reiche Fürst Felix Jussupow, der mit Irina Ro­ manowa verheiratet war, einer Nichte des Zaren. D ER 16. DEZEMBER 1911 war ein schick- salhafter Tag für Rasputin. Gerüch- te über sein unanständiges Verhal- ten und seine Kontrolle kirchlicher Ämter hatten seine ehemaligen Förderer, Bischof Hermogen und den Mönch Ilio- dor, dazu veranlasst, Russland von seinem Einfluss zu befreien. Der Bischof lud ihn in das Jaroslawl-Kloster in St. Petersburg ein. Als er eintraf, zerrte die Mystikerin Mitia Kozelski Rasputin vor eine Ikone. Iliodor und Hermogen warfen ihm vor, die Mo- narchie und die Kirche zu beschmutzen. Der Bischof schlug ihm mit seinem Pekto- rale, dem Brustkreuz, auf den Kopf, verbot ihm, sich einer Frau zu nähern, und zwang ihn, niederzuknien und zu schwören, das Zarenpaar nie wieder zu sehen. Deren an- schließender Zorn war gewaltig: Hermogen wurde nach Litauen verbannt, Iliodor in ei- nem Kloster eingesperrt.

RASPUTIN Rasputin im Jahr 1910 mit Bischof Hermogen (M.), dem Beichtvater des Zaren, und dem Mönch Iliodor (r.).

MARY EVANS / SCALA, FIRENZE

die inneren Blutungen ließen sich nicht stoppen. Sein Zustand verschlechterte sich derart, dass die Ärzte den fiebernden Jungen aufgaben. Er erhielt die Sterbesakramente. Rasputin erreichte die Nachricht in Sibirien. Sofort schrieb er ein Te­ legramm mit der Botschaft, dass der Zarewitsch leben würde – und tatsächlich erholte sich der Junge. Die Zarin sah nun in ihm nicht nur Alexeis Retter, sondern auch einen heiligen Mann und Seher. Er war womöglich der einzige Mensch, dem

HANDSCHRIFTLICHE BITTE RASPUTINS Die Notiz war an den Innenminister gerichtet, zu dessen Ernennung er beigetragen hatte: „An Minister Chwostow sende ich ein liebes und schönes süßes Fräulein. Sie ist arm, rettet sie, sie ist in Not. Sprich mit ihr. Grigori.“ AKG / ALBUM

sie und ihr Mann trauen konnten. Während des Ersten Weltkriegs erreichte Rasputin den Gipfel seiner Macht. Angesichts der Niederlagen an der Front begab sich Nikolaus 1915 in die Stavka, das militärische Hauptquartier, und übernahm das Kommando über die Armee, wäh­ rend Alexandra die Staatsgeschäfte führte. Die Zarin, Anna Wyrubowa und Rasputin wurden zur Schatten­ regierung des Landes. Dies führte zu innenpolitischem Aufruhr. Alexan­ dra ernannte loyale, aber unfähige Minister, was die Opposition in der Duma auf den Plan rief. Gerüchte

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