ME LDUNGEN
Explosive Erkenntnisse Gab es zur Zeit der Kreuzritter bereits Granaten? Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat Anhaltspunkte für diese Theorie gefunden. SENSATION
O ben kugelig und eine sich nach unten hin verjüngende Form: Solche auch als „sphero-ko- nische Gefäße“ bezeichneten Objekten waren im Nahen Osten zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert wohl weit- verbreitet – das zumindest legen zahlreiche archäologi- schen Funde von Ägypten bis nach Zentralasien nahe. Dass die Gefäße unter Umständen nicht nur als profane Aufbe- wahrungsbehälter fungier- ten, konnte Carney Matheson von der Griffith University im australischen Brisbane jüngst zusammen mit anderen For- schern zeigen. Sie untersuchten die In- nenseite von vier Scherben der Gefäße, die man in Jeru- salem ausgegraben hatte und die rund 900 Jahre alt sind. Damit fallen sie in die Zeit der Kreuzzüge gegen die muslimi- sche Herrschaft (Anfang 11. bis Ende 13. Jahrhundert) und sollen von Mamluken stam- men – damals Sklaven, die im Dienst islamischer Herrscher standen und für diese in den Krieg zogen. In drei Fällen wiesen die Rückstände auf alltägliche Inhalte hin: Öle, Duftstoffe, Medizinprodukte. Beim vier ten Fragment fanden die Wis- senschaftler jedoch unter an- derem Spuren von Schwefel, Quecksilber, Magnesium und Phosphor. Daraus schlossen sie, dass in dem Behältnis ent-
MIT GRANATEN ins Heilige Land? Neue Funde lassen vermuten, dass die Ritter nicht nur Mann gegen Mann kämpften.
Sprengwaffe erforderlichen Druckaufbau vor der Detonati- on standgehalten. Auch Form und Gewicht sprächen dafür, ebenso wie die Tatsache, dass man die Scherbe innerhalb einer Trümmerschicht aus- gegraben hat. Es ist denkbar, dass man die Granate bei der Zerstörung des königlichen Palastes gezündet hat. Laut Matheson und Kollegen gibt es beispielsweise in dem Werk „Libellus de expugnatione Ter- rae Sanctae per Saladinum“, welches die Eroberungen Saladins zwischen 1186 und 1191 beschreibt, einen Hinweis
darauf: Die Truppen des Sul- tans sollen bei der Belagerung Jerusalems im Jahr 1187 Waf- fen verwendet haben, die von ihrer Wirkungsweise her Gra- naten ähnelten. Auch andere Quellen berichten von lauten Geräuschen und grellem Licht beim Einsatz solcher Waffen. Künftige Analysen der Rückstände in sphero-koni- schen Gefäßen von anderen Ausgrabungsorten aus diesem Zeitraum könnten diese The- se untermauern und die viel- fältigen Funktionen dieser Keramiken offenbaren. ALEXANDER MÜLLER
weder verschiedene Chemi- kalien gelagert worden waren – oder dass das Gefäß selbst ei- ne Waffe, eine Art mittelalter- liche Granate, gewesen war.
Gefährliche Inhaltsstoffe
Tatsächlich kam Schwefel be- reits in der Antike als Kampf- mittel zum Einsatz; auch Quecksilber war zu dieser Zeit für seine explosive Wirkung bekannt. Für diese Theorie spricht außerdem, dass das Gefäß nicht verziert und sehr dickwandig war. So hätte es hypothetisch dem für eine
8 NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY
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