DER HOF DER TROUBADOURE
KÖNIGINDER LIEBE Links: Epitaph der Herzogin Eleonore von Aquitanien. Ihr Grab liegt in der Gruft der Abtei von Fontevraud. Auch ihr Ehemann Heinrich II. und ihr Sohn Richard Löwenherz ruhen in der Klosteranlage.
ELEONORE, die Herzogin von Aquitanien, gilt als Förderin von Musik und höfischer Kultur. Die Enkelin von Wilhelm IX. von Aquitanien, ei- nem der ersten Troubadoure, wuchs in einem künstlerisch geprägten Umfeld auf. Sie heiratete zunächst Ludwig VII. von Frankreich (1137). Nach der Annulierung dieser Ehe vermählte sich Eleonore mit dem
neun Jahre jüngeren Herzog der Nor- mandie, der kurz darauf (1152) als Hein- rich II. den englischen Thron bestieg. Die selbstbewusste Eleonore soll die Sitten der französischen Eliten und deren Hofkul- tur auch in England gefördert haben. Ihr Sohn Richard Löwenherz, ab 1189 König, war ebenfalls künstlerisch veranlagt. Als er auf dem Rückweg von einem Kreuzzug in Gefangenschaft geriet, schrieb er: „Viele Freunde habe ich, aber dürftig sind die Geschenke; / Schande über sie, wenn ich, wegen des Lösegeldes / hier bald schon zwei Winter lang gefangen bin.“
HEIMAT VON BERTRAN
Rechts: Die Burg von Hautefort gehörte dem berühmten Troubadour Bertran de Born; im 17. Jahr hundert wurde die Anlage zu einer prächtigen Barock- residenz umgebaut.
ERICH LESSING / ALBUM
Werke des sonst nicht näher bezeichneten Autors „Coms de Peit(i)eu(s)“ schreibt die Literaturwis- senschaft heute klar Herzog Wilhelm IX. zu. Er gilt außerdem als der „doppelgesichtige Troubadour“, weil er einerseits als einer der Ersten die edle, hö- fische Liebe besungen hat, andererseits aber auch sehr vulgäre Lieder verfasste. So singt der Graf von Peitieus zum Beispiel in derben Versen vom gat ros , einem dicken, roten Kater, um sich über die gesellschaftliche Heuchelei lustig zu machen: In dem Gedicht wollen sich zwei Damen mit ihm vergnügen, aber erst sicher sein, dass ihr Liebhaber stumm ist und später nichts ausplaudern kann. Sie bringen das Katzenvieh dazu, ihn zu kratzen, um sich seines Schweigens zu vergewissern. Der Sänger, der die Situation aus der Ich-Perspektive schildert, schafft es, keinen Laut von sich zu ge- ben, und kann anschließend mit beiden Frauen schlafen. In einer anderen Komposition reizt der Graf von Peitieus die Grenzen des künstlerischen Schaffens aus, indem er ankündigt, er werde „ein Lied über absolut gar nichts“ verfassen, das er pa- radoxerweise „im Schlaf“ und zugleich „auf einem Pferd“ gedichtet habe. Der bekannteste Troubadour nach dem Gra- fen von Peitieus ist Bernart de Ventadorn, dessen dichterisches Werk zwischen 1164 und 1194 ent- stand. Da er nicht nur sang, sondern die Regeln
der höfischen Liebe überschritt und ein handfes- tes Verhältnis mit der Ehefrau seines Lehnsherrn unterhalten haben soll, wurde er verbannt. Zu- flucht fand er in der Normandie, wo ihn Eleonore von Aquitanien aufnahm, Ehefrau des Herzogs der Normandie (s. oben). Bernart de Ventadorn, dem mitunter auch ein Verhältnis mit Eleonore angedichtet wurde, zog sich später in die Abtei von Dalon zurück. Im sel- ben Kloster lebte von 1196 an bis zu seinem Tod im Jahr 1215 übrigens auch ein anderer berühm- ter Troubadour: Bertran de Born. Der streitbare Adlige hatte in seinem Leben zwar auch Liebes- lieder verfasst, war aber vor allem für seine – ein- gangs zitierte – Kriegslyrik bekannt. Mit seinen Versen beeinflusste er stark die Politik. Ewa 80 Jahre nach seinem Tod, um 1290, endete nach einer 200-jährigen Blüte dann auch die Kultur der Troubadoure. Deutsche Bearbeitung von Gebina Doenecke
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BUCH Troubadourdichtung Ch. Felbeck u. J. Kramer. Narr Verlag, 2008 INTERNET
Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse) https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848
86 NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY
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