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durch Tätowierungen gebrandmarkt. Später entwickelten sich daraus die kunstvollen Ire- zumi (wörtlich „Tinte einbringen“), die oft den gesamten Körper der Yakuza vom Hals bis zu den Füßen bedeckten. Diese „Tintenkostüme“ erforderten viele schmerzhafte Stunden und wa- ren zugleich ein Zeichen von Widerstandskraft und Wohlstand, da sie äußerst kostspielig waren. Obwohl die Yakuza keine direkten Wurzeln in der alten Samurai-Tradition haben, wurden ihre Mitglieder oft als Bewahrer der Werte des Bushidō angesehen – des Ehrenkodexes der japanischen Krieger, der Pflicht mit Altruismus und Wohltätigkeit verknüpft. Diese Vorstellung trug zur Entstehung einer romantisierten Er- zählung bei, ähnlich jener, die die sizilianische Mafia umgab: Die Yakuza galten als Beschüt- zer der einfachen Bevölkerung, während das Militär dem Kaiser diente. Im Theater, in Volksballaden und in der Literatur erschienen zahlreiche Figuren von Yakuza-Gangstern, die angeblich als Freunde der Armen auftraten. Der bekannteste dieser Charaktere ist Shimizu Jirocho. Er wurde um 1820 in Shimizu geboren, von einem wohlha- benden Verwandten adoptiert und begann eine EINE EWIGE ZWEITE ROLLE LAUT DEN FORSCHERN David E. Kaplan und Alec Dubro spielten Frauen in der patriarchal strukturierten Yakuza lange Zeit eine untergeordnete Rolle, etwa als Hausfrau, Haushälterin oder Prosti- tuierte. Doch es gab auch Ausnahmen, zum Beispiel Taoka Fumiko. Sie war die Ehefrau von Taoka Kazo, dem langjäh- rigen Anführer der Yamaguchi-gumi, der wegen seiner Grausamkeit auch „Kuma“ („Bär “ ) genannt wurde. Taoka machte die 1915 gegründete Gruppe zur mächtigsten Yakuza-Organisation. Nach seinem Tod 1981 übernahm sei- ne Frau die Führung über die Yama- guchi-gumi, die damals wohl um die 13000 Mitglieder hatte. Zuvor diente die damals 62-Jährige ihrem Mann als Beraterin. Ursprünglich sollte sie die Führung nur übernehmen, bis der Nachfolger geklärt war. Der Prozess dauerte ganze drei Jahre.

zu belästigen oder die Geheimnisse der Orga- nisation preiszugeben. Ebenso mussten die Oyabun mit bedingungsloser Unterwürfig- keit respektiert werden. Ähnlich strenge Vorschriften galten für die Bakuto, die Verstöße hart ahndeten. Sie verurteil- ten Vergewaltigung und betrachteten Feigheit, Verrat, Ungehorsam sowie die Schädigung der Ehre oder des Ansehens der Gruppe als schwer- wiegende Vergehen. Die übliche Strafe war das Yubitsume – das Abhacken des kleinen Fin- gers. In Banden, die aus Glücksspielern bestan- den, diente diese Praxis dazu, die Hand eines Täters zu schwächen, sodass er ein Katana nicht mehr mit derselben Präzision führen konn- te. Wurde das Yubitsume hingegen freiwillig vollzogen, galt es als Geste der Reue und diente dazu, die Vergebung des Oyabun zu erbitten. Der Betroffene stellte sich damit voll- ständig unter dessen Schutz. Yakuza waren keine Samurai Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Yakuza, das auf die Bakuto zurückgeführt wird, sind ihre Tätowierungen. Ursprünglich wurden Kriminelle in Japan bereits im 17. Jahrhundert

HAUSFRAUEN ODER PROSTITUIERTE In der Yakuza wurden Frauen meist als Haus- hälterinnen, Haus- frauen oder „Ware“ behandelt, mit der man durch Prostitution Geschäfte machen konnte. Oben: Frauen beim Kochen. Hand- kolorierte Fotografie, 1880–1910. BRIDGEMAN / ACI

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