MESOPOTAMIEN TAFEL VON DELUVIAN D iese kleine, kaum 15 Zentimeter hohe Tontafel wurde Mitte des 19. Jahrhun- derts in der assyrischen Stadt Ninive (im heutigen Irak) gefunden und sorgte, als ihr Inhalt der Welt bekannt wurde, für große Aufregung. Der Text in Keilschrift erzählte eine allseits bekannte Geschichte: Ein Mann wird von seinem Gott beauftragt, ein Schiff zu bauen, um seine Familie und alle Tierarten zu retten, bevor ein großer Weltuntergang die Menschheit vom Erdboden tilgt. Die Ähnlich- keit mit der biblischen Geschichte von Noah war verblüffend, aber dieses Objekt, bekannt als Sintflut-Tafel, stammte aus dem 7. Jahrhun- dert v. Chr. und war somit 400 Jahre älter als die älteste erhaltene Version der Bibel. In einer Zeit, in der Darwins Theorien die Welt erschütterten, stellte diese Entdeckung für einige eine weitere Lücke in den Grund- lagen des Christentums dar; für andere hin- gegen bewies sie, dass die biblische Erzäh- lung auf wahren Begebenheiten beruhte. Die Bedeutung der Tafel geht jedoch weit über religiöse Aspekte hinaus: Zum ersten Mal wurde die Schrift – die in dieser Region der Welt aus wirtschaftlichen und administrativen Gründen entstanden war – verwendet, um eine Geschichte zu erzählen. Die Tafel ist Teil des „Gilgamesch-Epos“, einer Erzählung, die die Abenteuer des Königs von Uruk auf seiner Suche nach Unsterblichkeit erzählt und das älteste literarische Werk der Welt darstellt.
Detail der Sintflut-Tafel, gefunden im Palast von Assurbanipal in Ninive. 7. Jahrhundert v. Chr, British Museum, London.
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96 NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY
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