Bergsteiger

Wissen & Personen ∕ Lena Müller

Woher nehmen Sie Ihre Motivation? Das Gefühl, dass sich endlich etwas ändern muss, treibt mich an. Ich sehe bei meiner Forschung, was da auf uns zu- kommt und dass wir in so einer Welt nicht leben wollen. Es gibt allgemein viel zu wenig Bewusstsein über die Ausmaße der drohenden Veränderungen. Politik und Medien haben es verpasst, auf die Dringlichkeit aufmerksam zu machen. Mich motiviert auch, dass ich viel mehr positives als negatives Feedback kriege. Woher kommen negative Kommentare? Von Leuten, die die Klimakrise leugnen oder einfach Frust abladen wollen und mich beleidigen. Das betrifft leider viele Frauen, die sich öffentlich engagieren. Gehen Sie mit denen in Dialog? Meistens nicht. Wenn jemand nur seinen Hass rausschreien will, bringt ein Ge- sprächsangebot auch nichts, weil es eigentlich gar nicht um die Sache geht. Ich kann in Dialog treten, wenn Respekt da ist und Interesse an Austausch. Und wenn jemand prinzipiell offen ist? Worüber ich oft spreche, auch bei Vor- trägen, ist die Dringlichkeit: Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten wollen, ist unser Budget mit den derzeitigen Emissionen 2030 aufgebraucht. In einer 2-Grad-Welt, wären viele Ökosysteme dahin, es gäbe einen wahnsinnigen Kampf um Ressour-

Bus zu verkaufen, war allerdings schon hart, ich habe ihn und die Kletterfahrten damit sehr geliebt. Übrigens fahre ich nie nur mit Öffis, sondern nehme immer das Fahrrad mit, sonst müsste ich oft noch ewig laufen. Reisen die Menschen, mit denen Sie klettern gehen, auch alle öffentlich an? Was für ein guter Punkt! Mein Freund und eine gute Freundin fahren viel öffentlich – von sich aus. Ansonsten ist es schwierig, Leute zu finden. Ich habe lange damit gehadert, bin allein Zug gefahren oder daheim geblieben. Mittlerweile fahre ich doch einfach mit, weil ich den Aus- gleich beim Klettern brauche. Mitfahren heißt Autofahren? Ja, inzwischen mache ich das. Denn es bringt nichts, wenn sich einzelne aufrei- ben. Wer eh schon viel macht, wird oft strenger bewertet (auch von sich selbst). Wir dürfen das Große und Ganze nicht aus den Augen verlieren. Was mich freut: Wir haben seit kurzem ein E-Auto. Nach drei Jahren Öffi-Klettern kenne ich die gut erreichbaren Gebiete rund um Inns- bruck auswendig und bin bereit für Neues. Das kann ich übrigens allen, die nicht komplett umsteigen möchten, empfehlen. Ab und zu mit den Öffis zu fahren und sich als nächstes Fahrzeug ein E-Auto zuzulegen, denn wir müssen wirklich weg vom Verbrenner und von den Fossilen.

cen. Wir sehen ja an der Ukraine, wie stark die Klimakrise, fossile Energie und Frieden zusammenhängen. Das wird noch schlimmer. Laut IPCC-Bericht ist es noch möglich, die Klimakrise abzumildern, aber wir müssen jetzt handeln. Und zwar alle zusammen. Mir fehlt im Diskurs, dass es drastische Veränderungen und Einschränkungen braucht. Weiterleben wie bisher, ginge nur mit bahnbrechenden Innovationen. Geoengineering-Techniken sind ja schon lang in der Diskussion, auch als ein Teil des 1,5 Grad Pfades. Aber auf großer Skala sind diese nicht anwendbar. Es braucht eine sofortige CO2-Reduktion. So wie jetzt wird es einfach nicht mehr weitergehen. Veränderung kostet - und wir müssten die ganze Wirtschaft umbauen. Ja, man müsste Geld umverteilen, keine umweltschädlichen Verfahren mehr subventionieren. Anstatt Kohle müsste öffentliche Mobilität gefördert werden. Damit ich mir als Verbraucherin nicht überlegen muss, ob ich 500 Euro in ein Klimaticket investieren will oder kann. Lassen Sie uns nochmal zum Klettern zurückkommen: Hat sich das verändert, seit Sie mit den Öffis anreisen? Anfangs war es anstrengend und viel Planerei. Jetzt ist es ganz normal. Unseren

Mehr Flexibilität: Lena und Judith (r.) kombinieren gern Rad und Zug bei der Anreise an den Fels.

12 DER GRÜNE BERGSTEIGER 08/22

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