Bergsteiger

Lange duftet es nach Wald, denn der Weg steigt die Südflanke über Mils an und quert dann nach Gunglgrün, einem kleinen Dorf bei Imst. Nur schnell die Wasserfla- sche am Brunnen auffüllen, dann geht es weiter hinauf und über die Blaue Grotte von oben hinein in die angenehm kühle Rosen- gartenschlucht. Sie bringt uns direkt nach Imst hinab. In den letzten 2000 Jahren ha- ben sich hier ein paar Kleinigkeiten geän- dert, aber auch die Römer hatten in Imst schon beschlossen: »Für heut ist's gut.« Imst war »mansio«, eine Übernachtungs- station auf ihrem Weg über die Via Claudia Augusta. Zumindest in groben Zügen folgen wir ihr schon seit Landeck. Später am Fern- pass werden wir sogar die Vertiefungen er- kennen, die die römischen Karren auf dem Felsuntergrund hinterlassen haben. Gut ausgeruht geht es ins Stammland der Starkenberger. Adel mit diesem Namen gibt es heute nicht mehr, die Starkenberger hatten sich mit dem Landesfürsten ange- legt und das hatte keiner der männlichen Starkenberger überlebt. Mitte des 15. Jahr- hunderts starben sie aus. Aber ihre Stamm- burg existiert und das Bier, das in ihrem Namen gebraut wird, schmeckt köstlich. Nach unserem Weg über das Imster Wet- terkreuz und den Starkenberger See wer-

An der Burg Fernstein im Ortsteil Fernstein der Gemeinde Nassereith

Z um Schutz vor feindlichen Lanzen und Schwertern hat- ten sie sich in Rüstungen aus Eisen gekleidet. Weil sich so Freund und Feind aber nicht mehr unterscheiden ließ, hatten sie ihre Fantasienamen auf Schilde und Wimpel gemalt. Dickere Rüstungen versprachen besseren Schutz, am Ende wogen sie 50 Kilo und ein Ritter kam nicht mehr auf, wenn er erst mal vom Pferd gefallen war. Ritter gibt es schon lange nicht mehr, sie faszinieren uns aber immer noch. Ihre Burgen sind Ausflugsziele, ihre Wappen noch heute in Gebrauch, ihre Geschichten der Stoff für Filme. Und ihre Familienge- schichte der rote Faden für Wanderwege: Die Starkenberger aus Tirol haben dem Panoramaweg, der von Landeck nach Ehr- wald führt, ihren Namen gegeben. Sieben gemütliche Tage ist man in ihrer Heimat unterwegs und erlebt nicht nur friedliche Wiesenterrassen über dem Inntal und wil- de Schluchten, sondern auch versteckte Badeseen und stille Wälder. Und das alles in einer Gegend mit guter Infrastruktur, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, einer ku- scheligen Bettdecke in der Nacht und ei- nem Frühstücksbüffet am Morgen. Viel Zeit für Historisches Überaus stilgerecht beginnt der Starken- berger Weg in Landeck am Schloss. Das »Schloss« ist eine imposante Ritterburg aus dem 13. Jahrhundert und heute ein Mu- seum. Für die Besichtigung haben wir Zeit, denn die erste Tagesetappe ist kurz. Wir

wandern über Wiesen und an Pferdekop- peln vorbei zu den beiden Tramser Wei- hern, durchqueren Waldstreifen, passieren Dörfer, in denen die Hühner frei zwischen Obstanger und Misthaufen laufen können, und kommen nach nicht einmal drei Stun- den Gehzeit in Kronburg an. Kronburg kennt man. Vielleicht nicht deshalb, weil es einst im Besitz der Starken- berger Ritter war, aber weil die Burgruine unten aus dem Inntal so markant gegen den Himmel steht. Heute erleben wir sie aus der Nähe. Was für ein Unterschied! Statt Motorbrummen hören wir die Grillen zirpen. Weltabgeschieden auf einer Wiese unter dem Burghügel liegt die Wallfahrts- kirche Mariahilf mit einem Mesnerhaus, einem ehemaligen Kloster und einem Wirtshaus. Hier endet der erste Tag. Hatte uns Schloss Landeck zurück ins Mittelalter geführt und der Weg hierher auf Entschleu- nigungskurs gebracht, dann ist Kronburg das Zentrum der Zeitlosigkeit. Uns erwar- tet ein Tagesausklang, der mit manch Well- nesswoche mithalten kann. Einen Tag später sind wir in Mils, unten am Inn. Die schaurig enge Kron- burger Schlucht haben wir gesehen, den Blaumeisen im Wald nach Obsaurs »Hallo« gesagt und die alten Fresken an der Kirche St. Vigil bestaunt. Dazwischen war viel Zeit zum Ratschen und um die eigenen Ge- danken zu ordnen. Natürlich hätten wir nach nur zwei Stunden Gehzeit in Mils noch weiterwandern können bis nach Imst, dem Ziel der nächsten Etappe. Aber war- um sollten wir?

den wir die Brauerei besuchen. Ausklang mit Ausblick

Damit könnte der Starkenberger Weg zu Ende sein? Nein, es geht überaus lohnend und abwechslungsreich weiter. Schon die Querung des Salvesenbachs auf dem 40 Meter hohen »Hohen Übergang« ist ein Er- lebnis, dann die Ruheoase am Sinnesbrunn, einer Lichtung auf gut 1500 Metern mit Marienkapelle, gefasster Quelle und Brot- zeitbank, und schließlich das Etappenziel Nassereith. Der fünfte Tag ist lang und schön. Oben am Schloss Fernstein werden wir Burg-Nachbarn der Starkenberger ken- nenlernen und schließlich über den Blind- see, den Mittersee und Biberwier nach Ehrwald kommen. Hier erst verabschieden wir uns von den Starkenbergern, deren Weg uns am letzten Tag zusätzlich zum reichen Kulturangebot auch noch herrliche Bergblicke geschenkt hat.

Den tollen Mix aus Kultur, Berg und Badesee fand Andrea Strauß am Starkenberger Höhenweg prima. Eine schöne Tour für heiße Tage.

Für weitere Tipps bitte umblättern →

34 BERGSTEIGER 09/25

Made with FlippingBook flipbook maker