Bergsteiger

Die Hütte ist mehr Heimat als Arbeitsplatz. Auch Katze Fanni gefällt's.

Erster Aufstieg für Gabi (li., 4) und Schwester Petra

gefragten sechs Eier in den Teig. »Das sieb- te ist fürs gute Gelingen, das habe ich von meiner Mama.« Die Kemptner Hütte ist Dreh- und An- gelpunkt für viele Touren. Sie ist für die meisten Alpenüberquerer auf dem E5 die erste Übernachtungsstation, dient Wande- rern auf dem Heilbronner Höhenweg oder auf der Steinbocktour als Domizil. Dazu kommen die vielen Tagesgäste, die von Oberstdorf hochwandern. Es geht trubelig zu. Und die Gäste haben sich über die Jahre verändert, wovon unter anderem die große Handy-Ladestation an der Theke zeugt, die ständige Frage nach WLAN oder die For- derung nach veganem Essen. »Mein Papa kann da nur den Kopf schütteln«, erzählt Gabi schmunzelnd. »Er fragt dann immer, was die Leute denn da jetzt für Sachen es- sen.« Manche Gäste vergessen einfach, dass dies eine Hütte, kein Hotel sei, sagt die » Manche Leute vergessen, dass eine Hüt te kein Hotel ist. «

Teamfrühstück: die einzigen 30 Minuten Entspannung am Tag

Saison zu richten und mich darauf zu freu- en.« Als Gabi drei Tage während der Saison wegen einer OP ins Tal musste, hatte sie das Gefühl, die anderen im Stich zu lassen. Um 22 Uhr ist Hüttenruhe auf der Kemptner. Gabi sitzt in ihrem »Büro«, an einem kleinen Schreibtisch, der während des Umbaus der Hütte im Flur zwischen Küche und Waschraum steht. Das Reser- vierungssystem muss gepflegt werden, der Steuerberater benötigt Unterlagen. Katze Fanni ist die Einzige, die Gabi noch leise schnurrend Gesellschaft leistet. Um 23.10 Uhr geht schließlich das letzte Licht aus auf der Hütte. Zumindest für einige Stunden …

Oberstdorferin und erzählt die Geschichte von einem Mann, der ein Spiegelei essen wollte. Als die Wirtin ihm mitteilte, das stünde leider nicht auf der Karte, wurde er ausfallend: »Bist du zu deppert ein Spiegel- ei zu machen?«, brüllte er durch die Stube. Gabi lächelte nur und antwortete: »Ja, tut mir leid, ich kann das einfach nicht.« Ein Ort der Erinnerung Die Kemptner Hütte ist für Gabi und ihre Familie ein Ort der Erinnerung. Nicht nur der positiven, denn Gabis kleiner Bruder verunglückte tödlich mit der Materialseil- bahn. Die Familie blieb trotzdem. »Alles andere hätte mein Bruder uns nicht verzie- hen.« Die Hütte ist ein Zuhause, in das sie jedes Jahr – trotz all der Mühen – gerne wie- derkehren. »Spätestens nach Weihnachten fange ich schon an, alles für die nächste

Als Bergwanderführerin ist Nina Ruhland oft mit ihren Gästen auf der Kemptner Hütte: »Das ist immer ein wenig wie nach Hause kommen.«

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