Bergsteiger

Am Gipfel des Pizzo Campo Tencia

19. Internationales Bergfilm-Festival Tegernsee

macht uns auf den Pizzo del Prévat, das Matterhorn der Leventina, aufmerksam. An dem steilen Zacken mit bestem Fels wurde in den 1930er-Jahren Kletterge- schichte geschrieben, unter anderem von einem unerschrockenen Pfarrer, der sich die Kamine hinaufschob. Gerade noch rechtzeitig zum Abend- essen kommen wir an der Capanna Campo Tencia an. Hüttenwirt Franco Demarchi, den alle »Dema« nennen, und sein Team sind wahre Meister am Herd. Auf den Tisch kommen Risotto, selbstgemachte Gnocchi mit Bärlauch, Pizzoccheri, Brasato mit Po- lenta. »Frisch muss es sein«, sagt der stu- dierte Innenarchitekt und Cerro-Torre-Be- zwinger. »Jede Woche gehe ich zweimal mit dem Rucksack ins Tal. Auch Freunde und meine Frau Franca helfen beim Schlep- pen.« Seit mehr als 20 Jahren ist er schon Wirt hier. Und hat immer noch unbändige Lust darauf. »Ich mag die Ruhe. Habe gern Zeit, mich um meine Gäste zu kümmern.« Die älteste Hütte im Tessin Seine Capanna steht nicht nur am Fuß des höchsten Tessiners, sondern ist selbst die älteste Hütte des Kantons, wurde bereits 1912 eingeweiht. Und: Es war die erste Steinhütte der Schweiz, nachdem zuvor Jahrzehnte lang mit Holz gebaut wurde. Auch die Form sei speziell. »Sie erinnert mich an meine vielen Freunde in Nepal, wo es mich im Winter hinzieht. Sie sagen, die Hütte mit ihrem quadratischen Grundriss erinnere sie an ein buddhistisches Kloster.« Anderntags steigen wir noch im Schein der Stirnlampen dem Wandfuß entgegen. Von der Hütte sah der mächtige Felsriegel nicht so aus, als ob er sich leicht überwin- den ließe. Doch es gibt eine gestufte Rampe, über die es mit leichten Kraxelstellen im I.

bis II. Grad zügig nach oben geht. Als die Sonne über dem Rheinwaldhorn aufgeht, haben wir schon fast den Ghiacciaio Gran- de di Croslina mit dem kleinen Gletscher- see erreicht. Alte Fotos zeigen den Pizzo Campo Tencia als stark vergletscherten Berg mit mächtigen Eisbrüchen, seine Erst- besteigung anno 1867 gelang nur auf ver- trackten Umwegen. Längst sind die Glet- scher geschrumpft, vom Ghiacciaio Piccolo ist sogar kaum noch etwas übrig. Gut für uns, denn so sparen wir uns Steigeisen und Pickel. Allerdings sind die Blöcke am Nord- westgrat oberhalb der Bochetta di Croslina mit einer Raureifschicht überzogen. Da ist vorsichtiges Steigen angesagt. Am höchsten Punkt genießen wir den freien 360-Grad-Blick. Mutterseelenallein sind wir hier. Unter uns leuchtet die Fels- wüste rot-orange. »Tencia« heißt tatsäch- lich »schmutzig«, in Anspielung auf die »rostige« Farbe der Blöcke aus Urgestein. Tiziano deutet nach Süden hinab, ins Val Lavizzara, ein Seitental des Maggiatals. Auch von dort gebe es einen Aufstieg. Doch seit die Solvetra-Hütte abgebrannt ist, sei dieser deutlich länger, sofern man nicht in einem unbewirtschafteten Hüttchen na- mens Pradoi übernachten wolle. Lange bleiben wir nicht am Gipfel. Wir müssen ja noch ins Tal absteigen, diesmal auf dem kürzesten Weg nach Dalpe. Wir werden dabei ziemlich alleine durch herr- liche Kastanien- und Lärchenwälder wan- dern. Zumindest für uns ist der Dornrös- chenschlaf der Leventina ein Segen.

19. bis 23. OKTOBER 2 0 2 2

Günter Kast war zum ersten Mal in der Leventina. Auch er hatte den Bezirk hinter dem Gotthard bislang links liegen lassen. Jetzt weiß er: Das war ein Fehler!

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