Blick zum Rifugio Rosetta
kommt, gilt als eine der schönsten Routen – alpenweit! Nach dem Vorspiel im nicht ver- sicherten Schrofengelände geht es gut auf- gewärmt in die Wand. Der Steig entpuppt sich als harmonische Komposition aus leichteren und schwierigeren Passagen, eine wogende Welle aus Anspannung und Entspannung. Wenn man innehält, sieht man jähe Abbrüche, Zacken und Felsbögen, überall Kunstwerke der Erosion. In klitze- kleinen Felslöchern blühen gelbe Alpen- Kuhschellen, genährt von Kotkügelchen der Steinböcke. Lässt man den Blick gen Rollepass schweifen, erkennt man, wie scharf hier der Kontrast zwischen Grün und Grau ist. Das Mezzanine-Geschoss der lieblichen Almwiesen scheint hier vollstän- dig zu fehlen. Ansatzlos gehen lichte Wäl- der aus verwachsenen Kiefern in eisen- graue Kalkstein-Mauern über. Monumental, archaisch wirkt das. Wir haben indes längst unseren Rhythmus in großer Kulisse gefunden. Das Setzen der Tritte, das Einklinken der Kara- biner wird zu einer fließenden Bewegung. Sich dabei freuen, dass der Steig ganz ohne Leitern auskommt und kaum Eisenklam- mern als künstliche Tritte benötigt. Stür- zen darf man dennoch nicht, obwohl die modernen Schock-Absorber an den Eisen- stiften im Fall der Fälle ein Brechen der Karabiner wohl verhindern würden. Schneller als erwartet sind wir am Ausstieg
Alpinus, gelten bei echten Felsakrobaten als bedauernswerte Herdentiere, die sich an Stahlseilen entlanghangeln müssen, weil es für mehr nicht reicht. Andererseits: Die Pa- la ist kein Revier für Anfänger. Und wa- ckeln die notorisch von Rost angenagten Leitern und Klammern der Dolomiten-Stei- ge nicht wie Kuhschwänze, wenn sie nicht an den entscheidenden Passagen gar voll- ständig fehlen? Fabio beruhigt uns. Der italienische Alpenverein habe in den ver- gangenen Jahren alle Pala-Steige neu ver-
sichert und damit gegenüber früher deut- lich entschärft. Wir dürften uns auf gleichermaßen genussreiche wie spektaku- läre Eisenwege und Übernachtungen in authentischen Hütten freuen. Eine der schönsten Touren alpenweit Keine Stunde später wissen wir: Er hat recht. Der Bolver-Lugli-Steig durch die Westabstürze der Croda della Pala, auf dem man dem Cimón della Pala ganz nahe-
Links: in der Ferrata Nico Gusella Unten: Bergführer Fabio Testa kennt jede Route in seinen Hausbergen.
56 BERGSTEIGER 09/25
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