Bergsteiger

Interview ∕ Bianca Elzenbaumer

Workshop im Valle Maira, Cottische Alpen, Piemont

» Lasst uns neu erfinden, wie wir als Menschen in den Alpen leben können!«

Sondern? Lasst uns neu erfinden, wie wir als Men- schen in den Alpen leben können. Wir wollen längst nicht mehr nur Projekte stoppen, die der Umwelt schaden. Wir wollen aufzeigen, wie es anders sein könnte, welche tollen Projekte und Ent- wicklungsmöglichkeiten es gibt. Und wir wollen Vorschläge machen und nicht nur Blockaden. Das brauchen wir auch, um uns gegenseitig Mut zu machen, weiter zu kämpfen. Es gibt ja schon Dörfer und Talschaften, die sich nach einer nachhalti- gen Lebensweise ausrichten. Was versteht die Cipra unter »dem guten Leben«? Es bedeutet, dass man sich an dem Ort, an dem man lebt, wohlfühlt. Dazu gehört, dass man sich als Teil der Gemeinschaft empfindet, dass man aktiv mitbestimmen kann, aber auch, dass man sich mit der Natur in Verbindung fühlt. Dazu gehört ein gutes Verständnis dafür, wie Natur und Mensch zusammenhängen und wie wir uns gegenseitig stützen können. Wir wollen Hirn und Herz im Alltag zusam- menbringen – und so altes Kulturgut beleben und neues Einkommen schaffen. Warum kennen selbst viele Bergmen- schen die Cipra nicht? Das ist ein Rätsel, das ich auch gerne gelöst hätte. Vielleicht kommunizieren wir uns zu starr. Allein unser Name »Commis- sion Internationale pour la Protection des Alpes« klingt hochgestochen und irgend- wie weit weg. Wir sind aber gar nicht bürokratisch. Wir sind ein sehr junger, dynamischer Verein und arbeiten mit sehr partizipativen Methoden und sind Exper- ten in partizipativer Demokratie. Viel-

Was ist falsch gelaufen in der Vergan- genheit? Inhaltlich lief nichts schief. Wir sind bis heute die einzige Organisation, die auf den ganzen Alpenraum spezialisiert, in allen acht Alpenländern in allen großen Alpensprachen tätig ist, die Probleme benennt und Lösungen erarbeitet. Nur sind wir keine Mitglieds- sondern eine Dachorganisation von insgesamt rund 100 lokalen und regionalen, zum Teil nationalen Umwelt- und anderen Organi- sationen. Das heißt, vielerorts kennt man nicht uns, sondern die jeweiligen lokalen Projektverantwortlichen und ihr Tun. Warum ist die Alpenkonvention, die die Cipra ja maßgeblich vorbereitet hat, ein eher zahnloser Tiger geblieben?

leicht verstecken wir uns zu oft und sind zu bescheiden. Mein Wunsch wäre es, dass Cipra ein bekannter Name ist, mit dem man sich identifiziert. Ein Verein, dem man beitreten kann und den man mit dem guten Leben in den Alpen verbindet. Wie wollen Sie dorthin kommen? Wir haben jetzt viele Leute dabei, die um die 20 Jahre alt sind und die darauf pochen, dass wir viel mehr Werbung in eigener Sache machen sollten. Wir Älte- ren müssen da umdenken. Wie man den Alpenverein kennt, so sollte man auch die Cipra kennen. Wir haben aktuell die Diskussion, ob wir anders heißen sollten. Unser Name sollte unser Programm widerspiegeln.

Acht Länder: Die Cipra vernetzt die Alpenstaaten.

70 BERGSTEIGER 08/22

Made with FlippingBook flipbook maker