Bergsteiger

Interview ∕ Bianca Elzenbaumer

Wir sind die Alpen-Jugend: Jedes Jahr vergibt die Cipra bis zu 200 spezielle Interrail-Tickets an Jugendliche.

-verbesserung darstellen. Der Bau von Skipisten in Schutzwäldern ist nach dem Bodenschutzprotokoll nur in Ausnahme- fällen und bei Durchführung von Aus- gleichsmaßnahmen zulässig. Handelt es sich um labile Gebiete, dürfen derartige Vorhaben generell nicht genehmigt werden. Nehmen wir ein aus Sicht von Alpen- schützern extremes Negativbeispiel: Im Pitztal und Ötztal planen Seilbahn- betreiber einen Skigebietszusammen- schluss. Wie groß ist der Einfluss der Cipra, das Mega-Projekt zu stoppen? Die Cipra International hat dort das Einspracherecht im Fall Zusammen- schluss der Skigebiete Pitztal-Ötztal ausgeübt. Das Verfahren wurden von den Projektanten inzwischen auf Eis gelegt. Üblicherweise sind solche Gerichtsfälle jedoch Sache der nationalen Cipras und ihrer Mitgliedsorganisationen. Die Cipra International arbeitet hauptsächlich an Fragen, die den gesamten Alpenbogen angehen, wie aktuell die italienische Cipra zusammen mit jener in Südtirol rund um die Winterolympiade 2026 Cortina-Mi- lano. Hier sind wir oft die Mahner und Optimierer, damit nicht allzu viele Bau- sünden entstehen oder gar Illegalitäten geschehen – und das ist auch sehr wichtig.

Sagen wir so: Die meisten Zähne sind – bis auf jene im Verkehrssektor – leider nicht besonders scharf, da sie auf einem Kom- promiss unter allen Alpenländern beru- hen. Einerseits sind wir sehr froh, dass es die Alpenkonvention gibt und auch stolz darauf, dass wir damals genügend Druck gemacht hatten. Heute wäre ein solch länder- und themenübergreifendes Vertragswerk nicht mehr möglich. Ande- rerseits sind wir selbst enttäuscht, dass sie nicht mehr greift. Ich glaube, wir haben uns oftmals in unserem Kommis- sionsdenken verlaufen. Da sitzt man dann an Konferenztischen und feilt an Sätzen herum, und dabei werden die Zähne abgeschliffen. Hinzu kommt, dass die Alpenkonvention nur ein ausgesprochen schwaches Compliance-Verfahren kennt, in welchem die Länder über sich selbst und sogar im Konsensverfahren richten. Acht Alpenländer, acht Regierungen, achtmal unterschiedliche Alpenpolitik. Das supranationale Regelwerk schei- tert vermutlich immer wieder genau an dieser Tatsache. Für manche Länder ist die Alpenkonven- tion nur ein ganz kleiner Fisch. Etwa für Italien, denn dort liegen die Alpen weit weg von Rom und behindern seit je die Expansion nach Norden, obwohl Italien den größten Anteil des alpinen Perime- ters besitzt. Andere nationale Interessen gehen vor, die Alpenkonvention ist der italienischen Regierung mehr Hemm- schuh denn Chance.

Die Alpenkonvention und ihre Durch- führungsprotokolle sind ein rechtsver- bindliches Vertragswerk und ihre Bestimmungen könnten in Genehmi- gungsverfahren durchgesetzt werden. Warum passiert das nicht? In Österreich passiert das. Dort hat die Cipra mit dem Alpenkonventionsbüro und der Rechtsservicestelle ein Angebot für Behörden, Umweltorganisationen und Zivilgesellschaft eingerichtet, die bei der rechtlichen Anwendung der Alpenkon- vention unterstützt. Dies führt auch zu Abweisungen von Skigebietserweiterun- » Wir sind oft die Mahner und Optimierer. Das ist auch gut so. « gen oder wie zuletzt, zur Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsge- richtshof, mit dem ein Naturschutzgebiet verkleinert werden sollte. Der Teufel liegt aber im Detail. Was heißt das? Wenn man über die Alpenkonvention drüberliest, dann hat man das Gefühl, nationale Gesetze würden die jeweilige Thematik bereits abdecken. Nur stimmt das oft nicht. Rodungen in Schutzwäldern müssen zum Beispiel notwendige Maß- nahmen für die Schutzwaldpflege oder

Was kann die EU leisten, um die Alpenkonvention nach vorne zu bringen?

Die EU und ihre Organe könnten Aufklä- rungsarbeit leisten. Dass jeder EU-Bürger versteht, wie wichtig die Alpen für ganz Europa sind. Es ist, nach dem Mittelmeer, das zweitgrößte Biodiversitätsreservoir Europas. Und es ist das Wasserschloss Europas, sehr viele Metropolen und Agrargebiete hängen vom Wasser der Alpen ab. Und es ist ein großes Erholungs- gebiet. Leider werden die Alpen in Brüs- sel oft eher als Hindernis für den Perso- nen- und Warenverkehr angesehen, weshalb man Tunnels buddeln muss. Wie kann man kulturelle Identität in den Regionen bewahren und stärken? Was uns alle vereint, ist das Gefühl, dass

72 BERGSTEIGER 08/22

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