Bergsteiger

Touren & Regionen ∕ Die Lötschbergbahn

Der Kander-Viadukt bei Frutigen mit seinen zehn gemauerten Bögen

schentals, fährt man ein in die Sonnigen Halden. Die verdienen ihren Namen allemal, weit geht der Blick über den monumenta- len Graben des Rhonetals bis zu den Vier- tausendern der Walliser Alpen. Die beson- deren geologischen und klimatischen Bedingungen haben hier einen Lebens- raum geschaffen, der einen unwillkürlich an mediterrane Landstriche wie die Pro- vence denken lässt: das Licht, die trockene Wärme. Im Sommer zirpt und summt es überall, da und dort plätschert eine Suone dahin – Gletscherwasser für die Felder. Mit der Bahn geht’s sanft bergab, dabei quert

sie die wilden Gräben an der Südflanke des Bietschhorns und seiner Trabanten. Ein beliebtes Fotomotiv ist der Luogel- kin-Viadukt mit seinen fünf je zwanzig Me- ter breiten Bögen bei der Bahnstation Hoh- tenn. Hier startet der Lötschberg- Südrampenweg, einer der absoluten Walli- ser Wanderklassiker, vor einem Jahrzehnt von Eggerberg bis nach Brig verlängert, auf 27 Kilometer Gesamtlänge. Gut eine Geh- stunde hinter Hohtenn passiert man auf der Eisenbahnbrücke das Bietschtal. Nicht nur Technikfreaks sind hingerissen von der Stahlkonstruktion des Viadukts, das in ei- nem Bogen die Schlucht überspannt und ursprünglich von 125 000 Nieten zusam- mengehalten wurde! Die hat man aus Si- cherheitsgründen teilweise durch Pass- schrauben ersetzt – sagenhafte siebzig Jahre nach dem Zusammenbau. Verkehrsknotenpunkt Brig Die Fahrt endet in Brig, wo die Zermatter Bahn, die SBB-Linie vom Genfersee herauf, die Furkabahn, die Lötschberg- und die Simplonstrecke zusammentreffen. Ent- sprechend (über-)groß ist das Bahnhofs- gelände. »Isebähnler« spazieren über die Nordstraße hinaus zum Güterbahnhof mit dem Drehscheibendepot. Daneben steht ein großer Wasserturm, noch ein Relikt aus der »guten alten Zeit«, als Dampfloks an der Zahnstange schnaufend den langen, steilen Anstieg zum Furkapass hinter sich

Der Eröffnungszug der Lötschberg- bahn im Bahnhof Frutigen

brachten. Die Simplonroute dagegen ver- schwindet einen halben Kilometer weiter taleinwärts im Berg. Die erste der beiden Röhren wurde 1906 in Betrieb genommen, die zweite 15 Jahre später. Zur 50-Jahr-Fei- er brachte die italienische Post eine 25-Li- re-Sondermarke in Umlauf. Die geriet aller- dings recht realitätsfern. Dem Künstler musste entgangen sein, dass in Italien bei der Bahn Linksverkehr gilt, ebenso, dass die Simplonlinie von Anfang an elektrifi- ziert war und es eine zweite Tunnelröhre erst 1921 gab. Außerdem kopierte er ganz ungeniert ein in der Schweiz populäres Bild: Rudolf Kollers Gotthardpost. Die dürf- te allerdings nie über den Simplonpass ge- rollt sein…

BUCHTIPP: ALPENBAHNEN

Der opulente Bildband zeigt Züge zwischen schroffem Hochgebirge, glitzernden Gletschern und wilden Schluchten. Eugen E. Hüsler, Bert- hold Steinhilber: »Alpenbahnen«, 320 Seiten, Frederking & Thaler, München, 2022, 98 €

Der Zürcher Eugen E. Hüsler reiste mit seinen Eltern 1953 das erste Mal ins Wallis. Da war er gerade erst neun Jahre alt!

90 BERGSTEIGER 08/22

Der nächste Teil der Serie erscheint in Ausgabe 10/22. Dann bringt Eugen E. Hüsler Sie zum Wendelstein.

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