Blechblasinstrument im wahrsten Sinne des Wortes: ein Alphorn aus Ofenrohren
Das Alphorn gilt vielerorts als musikalisches Fossil. Doch das simple Holzrohr mausert sich derzeit zum vielseitigen und beliebten Musikinstrument. Ein traditionsbewusster Geis- tesblitzvermarkter aus dem Ländle macht sich dabei einen klangvollen Namen: der Tüftler und Musiker Franz Schüssele. D er renommierte Alphornbauer steht im Garten seines Hauses in Friesenheim südlich von Offen- burg auf der anderen Rheinseite von Straßburg. Vor ihm auf dem Rasen liegen knapp vier Meter ineinander ge- steckter graublauer Kunststoffröhren. Er hebt das schmale Ende hoch, setzt es an die Lippen, bläst ein wenig die Backen auf – und intoniert die ersten Takte des Ungarischen Tanz No. 5 von Johannes Brahms: tuu-tutuu-tutuu-tu- tuu. Zugegeben, nicht konzertreif, aber spektakulär. „Abflussrohr-Alphorn, aus dem Baumarkt, zehn Euro“, erklärt der Meister und lacht. Im Schwarzwald sind die Winter lang und dunkel. Da kann man schon mal auf sonderbare Ideen kommen. Zum Beispiel das billigste Alphorn der Welt musikalisches Fossil Doch das sil. u t vielerorts ssil D
aus grauen Baumarkt-Abflussrohren zu basteln. Aber wer ist das, der auf solch verrückte Ideen kommt? Franz Schüssele ist studierter Posaunist und Schulmusiker. Nach dem Studium der klassischen Musik und Tätigkeit in mehreren Jazz – und klassischen En- sembles wandte er sich der alemanni- schen Volksmusik zu und gründete die Volksmusikklamaukgruppe „Gälfiäß- ler“, die zu einem Markenzeichen für originelle Volksmusik und ausgefallene, seltene Instrumente wurde. Der Garten- schlauch, mit einem Trompetenmund- stück versehen, war das erste, was Franz Schüssele (70) gebaut hat. Zu viert intonierten die „Gälfiäßler“ (Gelb- füßler – Spottname für Badener) die Eurovisionsmelodie. Die „Gälfiäßler“ stehen als Musikgruppe mit den meis- ten Instrumenten (150!) im Guinness- buch der Rekorde – viele davon von Schüssele gebaut. Standardwerk für Alphorn „Das Alphorn gilt als ein Schweizer Nationalsymbol, wie Schokolade, Käse und das Offiziersmesser“, sagt Franz Schüssele. „In Wahrheit ist es uralt und international, nämlich die Weiterent- wicklung eines einfachen Horns, wie es die Hirten von den Pyrenäen bis Irland und von den Karpaten bis Sibirien seit Jahrhunderten benutzen. Es diente aus grauen Baumarkt-Abflus zu basteln. Aber wer ist das,
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