ML525 Online-PDF

Jahrhundertelang sicherte die Strohflechterei das Auskommen der Landbevölkerung in den Wintermonaten. Heute kümmert sich ein rühriger Verein um die Erhaltung des Wissens über Tradition und Technik.

Strohhüte, Taschen und Zy- linder: Im Schwarzwald war Stroh einmal Gold wert. Heute kämpft ein engagierter Ver- ein in Schonach für den Er- halt dieser traditionsreichen Handwerkskunst. Mit Museum, Kursen und Herzblut lässt er die alte Kultur wieder auf- leben – und sichert dabei ein Stück regionaler Identität. L ange bevor Kunststoff und Maschi- nenfertigung den Alltag bestimm- ten, war im Schwarzwald Hand- arbeit gefragt – besonders im Winter, wenn die Felder ruhten. So entwickelte sich im 18. und 19. Jahrhundert aus der Not heraus ein Gewerbe, das heute fast vergessen ist: die Strohflechterei. Aus dem langhalmigen Roggen, der auf den heimischen Feldern wuchs, entstanden in mühsamer Heimarbeit nützliche und schöne Dinge – Stroh- schuhe, Taschen, Hüte, ja ganze Trachtenbestandteile.

Hüte für die Welt – aus Schonach

In Schonach war die Strohflechterei einst Zentrum einer boomenden Bran- che. Der karge Boden ließ wenig Acker- bau zu, doch das Stroh lieferte einen Stoff, der sich kunstvoll verarbeiten ließ – und überregional gefragt war. Der kluge Kopf aus Triberg Den entscheidenden Impuls gab der Tribergische Obervogt Dr. Karl Theo- dor Huber, der um 1806 feinere Flecht- methoden aus der Schweiz und der Toskana in den Schwarzwald brachte. Aus grobem Strohgeflecht wurden nun feine Bänder aus gespaltenen Halmen, die sich besser verkauften – sogar bis nach Russland, Frankreich und in die Niederlande. Der wirtschaftliche Erfolg stellte sich schnell ein: Um 1810 arbeiteten 1500 Frauen und Mädchen in der Branche, 250 davon an den besonders aufwendi- gen Flechtarbeiten. Ganze Familien wa- ren in das Gewerbe eingebunden – vom Roggenanbau über das Flechten bis hin zur Verarbeitung der Bänder zu Hüten und Taschen.

Mit dem Siegeszug des Strohhutes in Mode und Tracht nahm die Produk- tion richtig Fahrt auf. 1863 gründete L.F. Sauter in Schonach eine der größ- ten Strohhutfabriken im Schwarzwald. Dort wurden Hutpressen und hunderte von Hutformen angeschafft – und der Absatz explodierte: Um 1870 lieferte die Fabrik 1200 Strohtaschen pro Woche aus – bei nur 2000 Einwohnern im Ort. Auch für den berühmten Bollenhut, Symbol der Schwarzwälder Tracht, bildeten Strohhüte die Grundlage. Doch der wirtschaftliche Höhenflug hielt nicht ewig.

Die Konkurrenz kam aus Fernost

Ab den 1880er-Jahren geriet das re- gionale Strohgewerbe unter Druck. Günstige Importe aus China und Japan überschwemmten den Markt. Zwar gründeten die Strohhutfabrikanten 1882 einen Verband unter dem Motto

89

Made with FlippingBook flipbook maker