TIPPS
ARBEITSWELT „Vereinbarkeit darf kein Lippenbekenntnis sein“ Kirsten Frohnert, Projektleiterin des Netzwerkbüros „Erfolgsfaktor Familie“, über sich wandelnde Rollenbilder und ungenutzte Potenziale in Unternehmen
UNTER- NEHMENS- FÜHRUNG
die derzeit weniger als 28 Stunden pro Woche arbei- ten. Würden sie ihre Erwerbs- tätigkeit durch gute Verein- barkeit nur um jeweils eine Stunde pro Woche erhöhen, entspräche das dem Äquiva- lent von 71.000 neu geschaffe- nen Vollzeitstellen. Frohnert: Nein. Das Rollenkli- schee vom Vater, der das Geld verdient, und der Mutter, die das Kind versorgt, ist längst überholt. Die neue Generation von Vätern möchte mehr Zeit mit den Kindern verbringen, sich partnerschaftlich an der Erziehung beteiligen und dafür die Arbeitszeit reduzieren. Wie wichtig ihnen dieses Anliegen ist, zeigt die Tatsache, dass Vereinbarkeit ist aber kein reines Frauenthema... 450.000 Väter in Deutschland schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Ver- einbarkeit gewechselt haben. Unternehmen tun also gut da- ran, auch den Vätern individu- elle Angebote zu unterbreiten. Mit welchen Angeboten kön- nen Arbeitgeber punkten? Frohnert: Die Prognos-Studie „Familienfreundliche Arbeit- geber: Die Attraktivitätsstudie“ hat gezeigt, dass sich Mütter, Väter und Pflegende vor allem zeitliche Flexibilität für ge- plante Auszeiten, kurzfristige Arbeitsunterbrechungen oder Notfälle wünschen. Sehr wich- tig war den Befragten auch, dass sich aus ihren Fami-
Die Vereinbar- keit von Beruf und Familie hat viele Facetten. Zum Beispiel sich als Arbeitnehmer um ältere Angehörige zu kümmern.
ruf zu vereinbaren, desto mehr Fachkräftepotenzial steht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Um welches Potenzial geht es? Frohnert: Mehr als jede vierte erwerbstätige Person in Deutschland kümmert sich um minderjährige Kinder und/ oder pflegebedürftige Ange- hörige. Für diese Gruppe ist betriebliche Familienfreund- lichkeit ein Muss, um über- haupt einer Beschäftigung nachgehen zu können. Vor allem Frauen übernehmen oft die Sorgearbeit und passen ihre Erwerbstätigkeit an. Dabei würden viele gerne früher aus der Babypause zurückkehren oder ihr Arbeitspensum auf- stocken. Nehmen wir zum Bei- spiel die 2,5 Millionen Mütter,
Frau Frohnert, das Unter- nehmensnetzwerk „Erfolgs- faktor Familie“, das durch die Deutsche Industrie- und Handelskammer mitinitiiert wurde, setzt sich für mehr Familienfreundlichkeit in der deutschen Wirtschaft ein. Warum? Kirsten Frohnert: Die Arbeits- welt verändert sich. Der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräfte- mangel stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Familienbewusste Angebote und die flexible Gestaltung von Arbeitsabläufen sind zentrale Stellschrauben, um neue Mit- arbeitende zu gewinnen und langfristig zu binden. Studien zeigen: Je besser es Beschäf- tigten gelingt, Familie und Be-
8.900 UNTERNEHMEN gehören deutsch- landweit dem kostenfreien Netz - werk „Erfolgsfaktor Familie“ an. www.erfolgs- faktor-familie.de
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IHK Magazin Rhein-Neckar 08 | 2024
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