TIPPS
BERUFSBILDUNGSVALIDIERUNGSGESETZ „Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“
AUS- BILDUNG
Ab 2025 können sich Menschen bei der IHK ihre Praxiserfahrung in einem Beruf zertifizieren lassen. Martje Hoekmeijer erklärt Chancen und Grenzen des Verfahrens.
ber melden bei uns Interesse an. Ich erfrage dann den Lebenslauf, checke die Berufs- erfahrung und führe ein Vorgespräch, gestützt auf einen auf den Beruf ange- passten Selbsteinschätzungsbogen. Der geht dann an einen Prüfer, der die An- gaben bewertet. Anschließend findet ein Gespräch zwischen Prüfer und Teilnehmer statt. Wenn dort alles geklärt ist, steht die praktische Prüfung im jeweiligen Beruf an. Auf dieser Grundlage stellt der Prüfungsaus- schuss die volle oder teilweise Gleichwertig- keit fest. Besteht nicht die Gefahr, dass junge Men- schen Berufserfahrung ohne Ausbildung sammeln und sich dann einfach die Gleich- wertigkeit attestieren lassen? Hoekmeijer: Da wären sie schlecht beraten, da das Zertifikat ja gerade kein anerkannter Berufsabschluss ist! Im Pilotprojekt ValiKom bestand die die größte Gruppe auch nicht aus jungen Menschen, sondern in der Hauptsa- che aus über 35-Jährigen. Hinzu kommt das Mindestalter von 25 Jahren. MaS
Mit dem Berufsbildungsvalidierungsgesetz ist die Feststellung und Bescheinigung der „individuellen beruflichen Handlungs- fähigkeit am Maßstab eines anerkannten Ausbildungsberufs“ möglich. Wen hat der Gesetzgeber im Blick? Martje Hoekmeijer: Das ist für Arbeit- nehmer und Menschen ohne Job gleicher- maßen interessant, wenn diese bereits viel Berufserfahrung gesammelt haben, aber keinen Abschluss vorweisen können. Das Zertifikat können sie als Nachweis ihrer Kompetenzen im jeweiligen Beruf nutzen, es ist aber kein an- erkannter Abschluss! Welche Voraussetzungen müssen Interessenten erfüllen? Hoekmeijer: Mindestalter ist 25 Jahre. Und es gilt die Regel, dass die Berufserfahrung immer mindestens dem eineinhalbfachen der Aus- bildungsdauer des jeweiligen Berufs umfassen muss. Bei einem dreijährigen Beruf beispielswei- se muss der Teilnehmer also mindestens vierein- halb Jahre in dem Beruf gearbeitet haben. Was haben Arbeitnehmer davon? Hoekmeijer: Das Zertifikat verbessert die Chan- cen auf dem Arbeitsmarkt, möglicherweise führt es auch zu einer höheren Eingruppierung und damit zu mehr Gehalt. Hinzu kommt die soziale Anerkennung. Das Prestige von „Ungelernten“ ist ja nicht hoch. So kann das Verfahren auch das Selbstwertgefühl stärken. … und was ihre Arbeitgeber? Hoekmeijer: Viele Unternehmen legen zum einen Wert darauf, dass sie qualifizierte Arbeit- nehmer haben und dies auch entsprechend dokumentieren können. Zum anderen ist das auch eine gute Möglichkeit, Wertschätzung dem Mitarbeiter gegenüber auszudrücken. Verantwortlich für das Verfahren ist die IHK. Wie funktioniert das in der Praxis? Hoekmeijer: Teilnehmer oder ihre Arbeitge-
KONTAKT Martje Hoekmeijer 0621 1709-840 martje.hoekmeijer @rhein-neckar. ihk24.de
HINTERGRUND
Das Pilotprojekt ValiKom Der Bundesregierung hat dem Berufsbildungsvalidierungsgesetz ein mehrjähriges Pilotprojekt vorgeschaltet: ValiKom. Die IHK Rhein- Neckar war eine der erfolgreichsten Piloten bundesweit. Die Bilanz: 1.100 Interessenten haben sich bzw. ihre Arbeitgeber in fünf Jahren an die IHK Rhein-Neckar gewandt. 213 Validierungsverfahren Die Top 3-Berufe waren Fachkraft für Lagerlogistik, Kaufleute für Büromanage - ment und Kaufleute für Einzelhandel.
70 Prozent waren Männer. Nach Staatsangehörigkeit waren die meisten Deutsche (50 Prozent), es folgten Syrer und Türken.
wurden nach Prüfung der Vor - aussetzungen durchgeführt. 75 Prozent der Teilnehmer er- hielten die volle Anerkennung, 25 Prozent teilweise.
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IHK Magazin Rhein-Neckar 08 | 2024
ihk.de/rhein-neckar
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