MENA/AFRIKA
SYRIEN Ein Markt öffnet sich
Nach 14 Jahren der Abschottung, internationaler Sanktionen und Bürgerkrieg beginnt sich Syrien allmählich wieder der internationalen Gemeinschaft zu öffnen. Infolge des Sturzes des Assad-Regimes setzt die neue Übergangsregierung unter Präsident Al-Scharaa auf einen politischen und wirtschaftlichen Neuanfang, insbesondere im Verhältnis zum Westen. Auch von westlicher Seite wird eine vorsichtige Wiederannäherung betont. So hob die Europäische Union am 28. Mai 2025 in einem historischen Schritt den Großteil der wirtschaftli- chen Sanktionen gegenüber Syrien auf. Die Aufhebung betrifft zentrale Wirtschaftsbereiche: Der Export und Import von Öl- und Gasprodukten, der Handel mit Luxusgütern, Finanztransaktionen über das syrische Bankensystem sowie der Austausch von Ausrüstung und Technologien im Energiesektor sind nun wieder möglich. Die EU folgte damit Schritten des US-Finanzministeriums (OFAC). Nach einem diplomatischen Treffen zwischen US-Präsident Trump und Syriens Interimspräsidenten Al-Scharaa wurden weite Teile der amerikanischen Sank- tionen aufgehoben. Damit sind nun alle zuvor verbotenen Transaktionen gemäß den syrischen Sanktionsvorschriften (31 CFR Teil 542) grundsätzlich wieder erlaubt. Dazu gehö- ren insbesondere Investitionen in syrische Unternehmen, der Handel mit syrischem Erdöl und Erdgas sowie Ge- schäfte mit staatlichen Einrichtungen wie der Zentralbank Syriens oder Ministerien, die zuvor auf Sanktionslisten standen. Diese Erleichterungen wecken große Hoffnungen, sowohl innerhalb Syriens als auch auf internationaler Ebene. Trotz noch geringer Kaufkraft, instabiler Sicherheitslage und fehlender Infrastruktur eröffnet der Abbau der Sanktionen neue wirtschaftliche Perspektiven für den immerhin 23 Mil- lionen Einwohner zählenden Markt am Mittelmeer. Mehrere Länder und internationale Institutionen haben bereits konkrete Unterstützungsmaßnahmen zugesagt.
Damaskus steht vor großen Umbrüchen. Ob die neue politische Führung Syriens ihre Chance auf eine wirtschaftliche Stabilisierung nutzen kann, wird sich zeigen.
So kündigten sowohl Saudi-Arabien als auch die EU um- fassende finanzielle Hilfen für den Wiederaufbau an. Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan gab zu- dem bekannt, dass sein Land gemeinsam mit Katar vorü- bergehend die Gehaltszahlungen im syrischen öffentlichen Dienst sowie sämtliche Schulden Syriens bei der Weltbank übernehmen werde, um die staatlichen Institutionen zu stabilisieren. Außerdem gab der syrische Finanzminister bekannt, mit der EU über die Entlassung ausstehender Kredite zu ver- handeln. Die betroffenen Darlehen belaufen sich auf rund 1,4 Milliarden Euro. Eine Schuldenreduktion in dieser Grö- ßenordnung würde den syrischen Staatshaushalt erheblich entlasten. Trotzdem sind Investitionen dringend erforderlich. Laut einer aktuellen Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) beläuft sich der volkswirt- schaftliche Schaden Syriens durch Krieg und Sanktionen in den Jahren 2011 bis 2024 auf rund 800 Milliarden US-Dollar. Der Wiederaufbau Syriens steht damit nicht nur für eine ökonomische Erholung, sondern auch für eine politische Neuorientierung. Für europäische Unternehmen ergibt sich nun eine seltene Gelegenheit, frühzeitig in einen sich neu konstituierenden Markt einzutreten – verbunden mit Risiken, aber auch mit langfristigem Potenzial. IHK Für interessierte Unternehmen und Fachleute hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Netzwerkportal „Neuanfang Syrien“ eingerichtet: bmz.de/de/neuanfang-syrien/netzwerkportal-246946
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IHK Global Business 07/2025
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