Ich habe in meinem Leben kein spezielles Interesse oder Faible für Afrika entwickelt, eigentlich hat es mich nie sonderlich ge- reizt, dorthin zu gehen. Ich bin eher ein stetiger, wissensdursti- ger und neugieriger Mensch, der gerne ein Zuhause mit Privat- sphäre hat. Mir hat es in den gut fünfzig Jahren meines Lebens sehr gut in der Schweiz und in Europa gefallen. Denn fast al- Mein zweites Leben in merksam gemacht und nicht nachgelassen hat. So sind wir als Ehepaar ins Nachdenken gekommen: «Sollen und wol- len wir die letzten zehn bis fünfzehn Jahre unseres Erwerbs- lebens noch dasselbe tun wie bis anhin? Macht das wirklich Sinn? Wäre es nicht reizvoller und vor allem sinnstiftender, nochmals etwas ganz Neues in Angriff zu nehmen? Haben oder wie ich wieder mehr ein Lernender wurde
les ist da gut organisiert, geordnet, relativ sicher und oft schön. Meine Frau Conny und ich wurden Eltern, später sogar Grosseltern. Zudem fiel uns ein kleines Wohnhaus im Tessin zu, in der Region, in der wir über zwanzig Jahre lang gearbeitet haben. Eigentlich deutete nicht so viel auf einen einschneidenden Wechsel bei uns hin. Trotzdem wohnen und ar- beiten meine Frau und ich nun seit gut sechs Jahren in Conakry, einer wachsenden, pulsierenden und dre- ckigen Millionenmetropole im Wes-
wir unsere Grenzen schon ausgelotet und unsere Gaben eingesetzt, die uns von Gott geschenkt worden sind?» Es war ein längerer Prozess, bis uns zu- nehmend klar geworden ist, dass die Aufgabe in Conakry unser weiterer Weg sein könnte. Die Eindrücke vor Ort motivierten uns zum Ein- satz Im Jahr 2017 nahmen wir an einer Be- suchsreise von Jürg Pfister in Guinea
Mir hat es in den gut fünfzig Jahren meines Lebens sehr gut in der Schweiz und in Europa gefallen. Denn fast alles ist da gut organisiert, geordnet, relativ sicher und oft schön.
ten Afrikas. Wie ist es dazu gekommen, und was hat uns be- wogen, dorthin zu gehen und auch Jahre zu bleiben? Davon möchte ich dir im Folgenden berichten. Ohne speziell fromm tönen zu wollen, habe ich den Ein- druck, dass es letztlich Gott war, der uns zu diesem Schritt gelockt und bewogen hat. Es war aber nicht seine direkte Stimme, sondern die von Claire-Lise Wiher, einer mutigen Frau, die uns mehrmals auf die offene Stelle in Conakry auf-
teil. Das gab uns einen realistischeren Einblick, wie das Leben und Arbeiten der Mitarbeitenden von SAM global in Guinea aussieht und was vor Ort zu tun ist. Ebenso konnte ich die Re-
alität der Armut vieler Guine- erinnen und Guineer – gut 80 Prozent sind materiell gese- hen arm – das erste Mal rich- tig spüren, wahrnehmen und erfassen. Das war für mich, als «verwöhnten» Schweizer, eine heilsame Erfahrung, und sie ist es immer noch. Nach dieser Reise hatten wir den Eindruck, dass wir uns auf eine spannende, ja ge- nau auf diese neue Heraus- forderung einlassen sollten. So sind wir im Januar 2019 nach Conakry gereist und ha- ben die Arbeit im Gästehaus und der Zentrale von SAM global aufgenommen sowie mit weiteren Projekten er- gänzt. Zuerst war vieles neu, fremd und daher auch aufre- gend. Mit 54 Jahren wurde ich erneut zum Lernenden, weil so vieles ganz anders funktioniert(e), als ich es ge- wohnt war.
08
Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online