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entscheidendes Element der Kernberg’schen Theorie, das diese den existentialistischen Autoren sogar noch weiter annähert, nämlich dass diese Dyade aus Selbst- und Objektrepräsentanz (Selbst-Affekt-Objekt-Einheit) vom Ich zu Abwehrzwecken eingesetzt werden kann (zu Kernbergs Theorie siehe oben, Nordamerika-Abschnitt IV. Faa.). De la Puente behauptet auch, dass Alfred Lorenzer Sartres und Merleau-Pontys Überlegungen nahesteht, weil er es ebenso wie sie nicht für möglich hält, dass ein „Trieb“ außerhalb der intersubjektiven Umwelt erlebt werden kann. „Triebe sind nur erlebbar in den (in der Realität oder Phantasie inszenierten) Objektbeziehungen, d.h. in einem realen oder phantasierten Spiel mit dem Objekt . […] Weder Ich-Strukturen noch Es-Impulse können für die Bedürfnisse der Psychoanalyse anders erfaßt werden denn als ‚Vorstellungen‘, d.h. als Sinnzusammenhänge, die als Interaktion verstanden werden“ (Lorenzer 1970, S. 142f.). De la Puente ist der Ansicht, dass Lorenzer auch einen Schritt in Richtung einer Zusammenführung der psychoanalytischen Erklärung und einer Erklärung gemacht hat, die Licht auf die dialektische Beziehung zwischen Welt und Psyche zu werfen vermag. Er schließt mit den Worten: „Ich vertrete die These, dass die Psychoanalyse den Cartesianismus nach und nach überwinden und einen Weg gehen muss, den u.a. Fairbairn, Kernberg, Lorenzer, Winnicott, Loewald und in jüngerer Zeit Marcia Cavell (2006) eingeschlagen haben. Letztere behauptet, jede Theorie der Selbsterkenntnis habe zu berücksichtigen, dass die äußere Welt Teil des Aufbaus unserer inneren Welt ist und dass ‚innere Welt‘ etwas ist, das sich zwangsläufig durch Interaktion entwickelt“ (De la Puente 2011, S. 184). Insgesamt gesehen, stellt De la Puente das psychoanalytische Triebkonzept in den intersubjektiven Kontext. VI. G. ENTWICKLUNGEN IN DER CHILENISCHEN PSYCHOANALYSE In Chile haben Marcela Fuentes und Marie France Brunet das Konzept des Todestriebs vorwiegend unter Berufung auf europäische Autoren erforscht (für eine weitere chilenische Autorin, Pilar Cubillos, siehe den interdisziplinären Abschnitt VII B.). VI. Ga. Marie France Brunet Marie France Brunet (2002, 2013, 2019) untersucht verschiedene Aspekte des Triebkonzepts in zwei Zeitschriften- und einer Buchpublikation: In “En torno a los conceptos de envidia primaria y pulsión de muerte” [Über die Konzepte des primären Neides und des Todestriebs] revidiert sie das Todestriebkonzept, indem sie Aspekte von Melanie Kleins Theorie in Verbindung mit verschiedenen postkleinianischen und französischen Autoren weiterentwickelt. Sie untersucht insbesondere die Konzepte des Todestriebs und des primären Neides sowie die Beziehung zwischen Todestrieb und Neid. In “El par pulsion y objeto. Homenaje a Green” [Das Trieb-Objekt-Paar. André Green zu Ehren] erörtert sie, wie Green Freuds Verständnis des Todestriebs und
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