Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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insbesondere den begrenzten Stellenwert diskutiert, den Freud der Rolle des Objekts bei der psychischen Strukturbildung zubilligt. Brunet betont, dass Freud in seinem Strukturmodell von 1923 die Liebes-, Lebens- und Todestriebe ohne Repräsentanz oder Inhalt im Es verortet. Die Einbeziehung der destruktiven Triebe in den psychischen Apparat legt die Vermutung nahe, dass es etwas gibt, das nie in die symbolische Organisation zu einer unbewussten Vorstellung einbezogen wird. In ihrer rohen Form drängen Triebstrebungen, die der Umwandlung in symbolische Darstellung und Vorstellung entzogen bleiben, auf Abfuhr durch Aktion. Wenn dieses „Aktions“modell vorherrscht, spricht Brunet zusammen mit Green (2002) von erogenen Fixierungen infolge der Destruktivität, welche die Beziehungen zwischen dem Ich und seinen Objekten beeinträchtigt. In ihrem Buch “Pulsión en la obra de Green” [Der Trieb in Greens Werk] entwickelt Brunet eine Synthese dieser vorausgegangenen zwei Beiträge. Sie gelangt zu einer ähnlichen Sichtweise wie Green, was den Wert des Konzepts des Triebs als Matrix des Subjekts betrifft. Das Objekt verrät den Trieb, weil dieser durch die Erfahrung des Fehlens des Objekts aktiviert wird. VI. Gb. Marcela Fuente Marcela Fuentes (2019) geht in “The theory of the death drive in Klein” [Die Todestriebtheorie bei Klein] von Money-Kyrles (1955) Auffassung aus, dass die „letzte Wahrheit“ der Psychoanalyse wahrscheinlich eine unendliche Komplexität ist, der man lediglich in einer unendlichen Reihe von Annäherungen näherkommen kann. Auf diese Weise beschreibt sie, dass Klein sowohl Liebe als auch Hass – die Manifestationen der beiden Triebe – als angeborene Triebabkömmlinge betrachtet, die sich sofort an das Objekt heften. Beide Triebe finden also ein Objekt, an das sie sich unmittelbar nach der Geburt binden. Freud hingegen behauptete im Einklang mit seiner Hypothese des primären Narzissmus, dass der Hass der Liebe in der Beziehung zum Objekt vorausgehe. Fuentes nimmt auch Komplexität und Widersprüche im kleinianischen Denken wahr und formuliert ihre eigene Erweiterung Kleins wie auch Freuds. Die oben erwähnte kleinianische Theorie widerspricht einer anderen, die das Stillen als Paradigma jeder Liebesbeziehung versteht (Klein 1963). Das Finden des Objekts ist in Wirklichkeit eine Wiederbegegnung. Die orale Triebkomponente wird befriedigt, indem sie sich an den Wunsch, gestillt zu werden, anlehnt, dessen Objekt die Mutterbrust ist; erst später löst sich die orale Triebkomponente von diesem Wunsch ab und findet das Objekt autoerotisch im eigenen Körper (Freud 1922b [1921]). Fuentes ergänzt Freuds primäres Todesstreben um die These, dass es auch ein primäres Streben gebe, den Tod zu fürchten und zu meiden. Laut Fuentes’ Verständnis der Klein’schen Theorie ist der Aggressionstrieb konstitutionell determiniert; das primitive, grausame Über-Ich erweist sich so als die Vergeltung seitens des internalisierten Elterobjekts für die vom Baby ausgehende Aggression. Dem Ich liegen Umweltfaktoren zugrunde,

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