Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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insbesondere die Haltung der Mutter gegenüber dem Baby. Die Beziehung zum guten Objekt bildet den Kern des Ichs, von dem aus es sich erweitert und entwickelt. Ist diese Ich-Bildung einmal erreicht, ist das Ich mit höherer Wahrscheinlichkeit in der Lage, Angst zu containen und Leben zu erhalten, indem es geringe Anteile der destruktiven Objektbeziehungen durch die libidinösen Beziehungen bindet. Von einer erweiterten kleinianischen Perspektive ausgehend, postuliert Fuentes, dass die aus den Lebens- und Todestrieben stammenden Liebes- und Hassgefühle gegenüber dem Objekt oder gegenüber dem Selbst zuvor eine Transformation erfahren haben, weil sie unter der Kontrolle des Ichs stehen. In diesem erweiterten Kontext wird Kleins Theorie als bimodal verstanden – sie ist Trieb- und Objektbeziehungstheorie zugleich . Angst, verursacht durch den Widerstreit beider Triebe, träte in Form des Kampfes um die Vernichtung des Lebens auf – ein Problem, mit dem das Ich umgehen muss. Fuentes behauptet, dass wir, falls ein Todestrieb existiert, auch annehmen dürfen, dass es in den tieferen Schichten der Psyche eine Reaktion auf diesen Trieb gibt. Daher kommt das Baby mit einer Vernichtungsangst zur Welt, die aus der vom Todestrieb ausgehenden Bedrohung resultiert. Das Ich nimmt seine Aktivität unmittelbar nach der Geburt auf, und zwar mit dem Ziel, dieser Gefahr mit Hilfe der Lebenstriebe entgegenzuwirken. Da dieser Kampf zwischen den Trieben lebenslang andauert, wird die Quelle der Angst nie beseitigt; sie ist vielmehr an allen späteren Angstsituationen beteiligt (Klein 1948). Die Angst, durch eigene destruktive, mit dem primären Neid – einem Ausdruck des Todestriebs – zusammenhängende Triebstrebungen zerstört zu werden, veranlasst das Baby zu dem Versuch, solche destruktiven Gefühle sowie die Liebe zum Objekt durch Spaltung und projektive Identifizierung zu bewältigen. So entwickelt sich ein Verwirrtheitszustand. Wenn Liebesgefühle (Manifestation des Lebenstriebs) zunehmen, wirken sie den destruktiven Gefühlen (Manifestation des Todestriebs) entgegen; unterstützt wird dies durch die Interaktion mit dem guten Objekt. So tauchen Wiedergutmachungswünsche zusammen mit den Schuldgefühlen und dem Schmerz darüber, das gute und fürsorgende Objekt beschädigt zu haben, auf. Fuentes deutet, dass sich das Gefühl, das wir als Liebe bezeichnen, laut Klein vertieft, wenn dem Individuum bewusst wird, dass es seine guten Objekte beschädigt hat und Schmerz, Schuldgefühl und Angst in ihm auftauchen. Man könnte sagen, dass Fuentes’ Beitrag Kleins und Freuds triebbasierte Perspektiven zusammenfährt und dabei insbesondere auf das Schicksal der Lebenstriebe und des Todestriebs (Freud 1920g) im Übergang von Kleins paranoid-schizoider zur depressiven Position fokussiert.

VI. H. BRASILIANISCHER BEITRAG

VI. Ha. Ignácio Alves Paim Filho Ignácio Alves Paim Filho diskutiert das Thema in “Freud reinventando Freud: um retorno às origen (Por uma metapsicologia da pulsão de morte)” [Freud erfindet Freud neu: zurück zu den Anfängen (Für eine Psychologie des Todestriebs)], “Silêncio: uma

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