Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

escuta metapsicológica” [Schweigen: ein metapsychologisches Zuhören]; Pulsão de Morte: o assombrosamente belo” [Todestrieb: das ergreifend Schöne], und “Masoquismo destino das pulsões – origem do sujeito” [Masochismus: Schicksal der Triebe – Ursprünge des Subjekts] mit Ana Paula Terra Machado als Ko-Autorin (2014/2012) (2019/2016) (2019/2018) Paim Filho zufolge haben die traumatischen Folgen des Ersten Weltkriegs, die Zweifel an den vorherrschenden metapsychologischen und behandlungstechnischen Grundannahmen weckten, Freud zu einer wagemutigen Wende und Erweiterung seiner Triebtheorie veranlasst. War dieser bis 1919/1920 davon ausgegangen, dass das, wass wiederholt wird, für das Subjekt in gewisser Weise lustvoll sein müsse, untersuchte er fortan, warum man das Trauma, das nie lustvoll gewesen ist, wiederholt. Die Frage rückt erneut die klinischen Manifestationen des Wiederholungszwangs ins Zentrum, und Freud formuliert den Dualismus von Lebenstrieben und Todestrieb. Letzterer taucht 1920 konzeptuell als eine Triebkraft par excellence auf, ein Konzept, das die Metapsychologie auf eine neue Grundlage stellt. Indem Freud den Wiederholungscharakter des Triebs zu verstehen suchte, entdeckte er das Entsetzen der Begegnung mit der disruptiven (dämonischen) Kraft des Triebs, der unbeherrschbar ist und kompromisslos auf Abfuhr drängt. Er stellt sich die Frage, ob das auftauchende Entsetzen dem entspricht, was jenseits des Verdrängten ist. Paim Filho schließt sich Freuds Postulat eines Todestriebs, der dem Lebenstrieb vorausgeht, an, plädiert aber für eine Modifizierung in Form einer Unterscheidung zwischen einer destruktiven lebensbejahenden Komponente und der thanatischen Komponente des Triebs. Destruktivität, so Paim Filho, muss in ihrem doppelten Charakter verstanden werden: als thanatische Zerstörung , die die Konstruktion neuer Bedeutungen verhindert – was den sogenannten Pathologien des Nicht-Repräsentierbaren entspricht –, und als vitalisierende Zerstörung , die es zusammen mit der Dekonstruktion des Etablierten ermöglicht, die Voraussetzungen für das Auftauchen neuer Verbindungen zu schaffen. Da der Todestrieb eine eigenschaftslose, blinde, lediglich auf Abfuhr drängende Kraft ist, erweitert Paim Filho ihn um die Dimension der Angst – von der Signalangst bis zur automatischen Angst – als weitere wichtige Möglichkeit, seine Nicht-Repräsentierbarkeit zu repräsentieren. Die vitalisierende bzw. thanatische Qualität erhält er durch die „Farbe der Libido“ des Sexualtriebs, der das Objekt containt und von ihm containt wird. Daher hat die Libido „die Aufgabe“, die ursprüngliche Kraft des Todestriebs in den unterschiedlichsten Formen der Wiederholung (in Verbindung mit Signal- oder automatischer Angst) umzulenken. Über den Zusammenhang zwischen Schweigen und Trieb heißt es bei Paim Filho, dass das Schweigen aus der Abwesenheit signifikanter Unterschiede zwischen den Triebkräften resultiere . Das heißt, dass der Wunsch gestorben ist und/oder seine Konstruktion fehlt. Dieses Fehlen trägt zur psychischen Homöostase auf einer niedrigen Ebene der psychischen Entropie bei. Um zwischen Todestrieb und Destruktionstrieb zu unterscheiden, betont Paim Filho, dass Freud die Begriffe im Allgemeinen austauschbar verwendet, aber nur dann vom Destruktionstrieb spricht,

1009

Made with FlippingBook - Online magazine maker