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wenn der Todestrieb mit der Libido verbunden ist. Er erläutert zudem, dass der späte Freud (1940a [1938], S. 72) als Destruktionstrieb den nach außen gewendeten Todestrieb bezeichnet, der dann nicht länger stumm bleibt. Vor diesem Hintergrund stellt Paim Filho folgende These auf: 1. Das Konzept des (nicht an die Libido gebundenen) Todestriebs betrifft das unsagbare Chaos des Triebs als Grenzbegriff zwischen dem Körperlichen und dem Seelischen. In dieser Form ist er stumm , keinem Organisationsprinzip unterworfen, reine zerstreute Kraft. Indem er sich seinen konservativen Charakter bewahrt, zielt er lediglich in Richtung Abfuhr. Sein Objekt ist alles und gleichzeitig nichts: die stumme Gottheit des Todes. 2. Als Destruktionstrieb konzipiert hat der Todestrieb das Ziel, Verbindungen aufzulösen; er strebt nach Abfuhr und erzeugt Raunen und Flüstern ; er offenbart die Unmöglichkeit vollständiger Wunschbefriedigung, weil seine Verbindung immer eine partielle ist, weil die Objektquelle der Libido immer unvollständig ist. Wird der Destruktionstrieb, ökonomisch gesprochen, nicht weiterentwickelt, hängt er eng mit der Entropie zusammen. Wird er nicht libidinös besetzt, ist der Trieb Chaos und tendiert zum Tod; wo er eine Verbindung mit dem primären Masochismus eingeht, bleibt dieser als nicht- erogener primärer Masochismus erhalten. Insoweit er aber libidinös besetzt wird, führt er zu primärem und erogenem Masochismus mit Potenzial für die Entwicklung von weiblichem und moralischem Masochismus. Paim Filho erläutert die Konsequenzen des Konzepts eines primären Masochismus sowie die Ubiquität der nicht-erotischen Destruktivität mitsamt ihren Umwandlungen und ihren Manifestationen, insbesondere den Wiederholungszwang und die negative therapeutische Reaktion (NTR). Die paradoxe negative therapeutische Reaktion resultiert aus dem moralischen Masochismus des Über-Ichs in seiner Beziehung zum Masochismus des Ichs. Je letaler die negative therapeutische Reaktion, desto stärker der Destruktionsimpuls, je weniger Libido, desto größer das Strafbedürfnis, desto weniger Schuldgefühl. Was den Wiederholungszwang betrifft, so gibt es eine doppelte Konfiguration: Einerseits die mit übermäßiger libidinöser Besetzung zusammenhängende Wiederholung, wie Freud (1914c) sie in seiner Narzissmus-Abhandlung beschrieben hat, und andererseits den in Jenseits des Lustprinzips (Freud 1920g) – hier resultiert das Trauma aus dem übermäßig starken Destruktionstrieb – beschriebenen Zwang. Was die erste Annahme betrifft, so hängt das zwanghafte Element mit dem primären und erogenen Masochismus zusammen. Dies impliziert die Möglichkeit, auf der Suche nach Symbolisierung über die Wiederholung nachzudenken. Was den 1920 beschriebenen Zwang anbelangt, so drängt ein Trauma, das nicht verstoffwechselt werden kann, unabweislich auf Abfuhr, bleibt als eine ewige Wiederholung von etwas, das nie lustvoll gewesen ist, bestehen und gibt dadurch einen primären „nicht-erogenen“ Masochismus zu erkennen: eine dämonische, selbstzerstörerische Kraft auf ihrem Höhepunkt. (Möglicherweise bestehen Verbindungen zwischen diesem „nicht verstoffwechselbaren“ Trauma und Fernandos oben unter IV.Fb. beschriebenem „Zeroprozesstrieb“.)
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