Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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überschneiden sich die Epochen, weil Freuds Theoriebildung nicht linear erfolgte und zudem durch wachsende Komplexität gekennzeichnet war. Der Ordnung und Systematik halber sei darauf hingewiesen, dass Freuds Abkürzungen Ubw, Vbw und Bw für Unbewusst/das Unbewusste, vorbewusst/das Vorbewusste und bewusst/das Bewusste stehen. Die Bezeichnung topische Theorie (englischsprachige nordamerikanische Psychoanalyse) entspricht der ersten/frühen Topik der europäischen und Teilen der französischsprachigen kanadischen psychoanalytischen Terminologie; die nordamerikanische Strukturtheorie und die spätere/zweite Topik der europäischen und von Teilen der französischsprachigen nordamerikanischen Psychoanalyse sind gleichfalls synonym. Hier werden für die jeweiligen Theorien durchgängig jeweils beide Bezeichnungen parallel verwendet. Sofern nicht anders gekennzeichnet, dienen Kursivierungen der Betonung von Fachbegriffen. Freuds wichtigste theoretische Beiträge zur Erforschung des Unbewussten sind in den folgenden Schriften enthalten: Die Traumdeutung , Kapitell VII (1900b), „Triebe und Triebschicksale“ (1915a), „Die Verdrängung“ (1915b), „Das Unbewusste“ (1915c) sowie Das Ich und das Es (1923a). Zusammenfassungen finden sich auch in: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916-17), „Libidotheorie“, „Psychoanalyse“ (1923b) und im Abriss der Psychoanalyse (1940a). Stracheys weist den englischen Leser vorsichtshalber darauf hin, dass die im Englischen „unconscious“ enthaltene Mehrdeutigkeit vom deutschen „unbewusst“ normalerweise nicht mittransportiert wird. Die deutschen Wörter bewusst und unbewusst werden adjektivisch und partizipial im Sinne von „bewusst gewusst/bekannt sein“ und „nicht bewusst gewusst/bekannt sein“ verwendet. Freud verstand das Bewusste und das Unbewusste als passive Erfahrungen .

II. ÜBERSICHT DER FREUD’SCHEN KONZEPTUALISIERUNGEN DES UNBEWUSSTEN

II. A. Die Entdeckung des dynamischen Unbewussten Freuds revolutionäre Entdeckung der dynamischen Funktion der Abwehr in der Ätiologie der Hysterie war die Geburtsstunde der Psychoanalyse. Die gegen das Erinnern gerichtete Abwehr (Verdrängung) weckte seine Aufmerksamkeit für die ungemein große Bedeutung des Widerstandes, „ eine psychische Kraft bei dem Patienten […], die sich dem Bewusstwerden (Erinnern) der pathogenen Vorstellungen widersetzte. Ein neues Verständnis schien sich nun mir zu eröffnen, als mir einfiel, dies dürfte wohl dieselbe psychische Kraft sein, die bei der Entstehung des hysterischen Symptoms mitgewirkt und damals das Bewusstwerden der pathogenen Vorstellung

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