Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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1985 [1887-1904], S. 217). Die Erinnerungsspuren werden aufeinandergeschichtet und im Einklang mit der Wahrnehmung umgeordnet und zudem umgeschrieben. Freud postuliert hier also, dass gehörte und gesehene, aber nicht korrekt verstandene Szenen im psychischen Apparat ständig umgeschrieben werden. Dies ist seine erste Vorausdeutung auf das Konzept der Nachträglichkeit. In dem zu Lebenszeiten nicht veröffentlichten Entwurf einer Psychologie (Freud 1950 [1895]) erklärte er die Hysterie unter Bezugnahme auf die Nachträglichkeit wie folgt: „Überall findet sich, dass eine Erinnerung verdrängt wird, die nur nachträglich zum Trauma geworden ist“ (S. 448). In diesem Licht betrachtet, birgt das Unbewusste entstellte Erinnerungsspuren an Szenen aus der frühesten Kindheit, die nicht übersetzt werden konnten, weil das Kind die Sprache noch nicht beherrschte oder weil es diese Szenen zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht zu begreifen vermochte. Infolgedessen tragen sie den Charakter unsymbolisierter „ Dinge “. Dieser anfängliche Kausalmechanismus des Unbewussten trat in den Hintergrund, als Freud in der nächsten Phase seiner Theorieentwicklung die Phantasie anstelle des im Kindesalter erlebten Verführungstraumas/der Verführungsszene als einzige Determinante der späteren Psychopathologie hervorhob (Freud 1985 [1887-1904], S. 283; Brief vom 21. September 1897). Die Annahme von Erinnerungen als inneren, Angriffe verübenden Fremdkörpern wurde vom Konzept der Phantasie überschattet, das nach und nach zum Eckpfeiler dessen wurde, was Freud als psychische Realität bezeichnete, auch wenn ihn die relative Bedeutsamkeit von „ sexuellem Trauma “ und „ Phantasie “ später noch wiederholt beschäftigen sollte. Die Erkenntnis der wichtigen Rolle, die die Phantasie im psychischen Geschehen spielt, bahnte der Entdeckung sowohl der infantilen Sexualität als auch der universalen Phantasie des Ödipuskomplexes den Weg, die er Fließ in einem Brief vom 15. Oktober 1897 darlegte: „Ein einziger Gedanke von allgemeinem Wert ist mir aufgegangen. Ich habe die Verliebtheit in die Mutter und die Eifersucht gegen den Vater auch bei mir gefunden und halte sie jetzt für ein allgemeines Ereignis früher Kindheit […]. Wenn das so ist, so versteht man die packende Macht des Königs Ödipus […] die griechische Sage greift einen Zwang auf, den jeder anerkennt, weil er dessen Existenz in sich verspürt hat. Jeder der Hörer war einmal im Keime und in der Phantasie ein solcher Ödipus, und vor der hier in die Realität gezogenen Traumerfüllung schaudert jeder zurück mit dem ganzen Betrag der Verdrängung, der seinen infantilen Zustand von seinem heutigen trennt“ (ebd., S. 293). Freud hat das sexuelle Trauma als ätiologischen Faktor nie verworfen und später erklärt: „[…] die psychische Realität verlangt neben der praktischen Realität gewürdigt zu werden“ (Freud 1914c, S. 56), und: „Besonderes Interesse hat die Phantasie der Verführung, weil sie nur zu oft keine Phantasie, sondern reale Erinnerung ist“ (Freud 1916-1917, S. 385). Das Konzept der Nachträglichkeit wurde später im Zusammenhang mit der bahnbrechenden Fallstudie über den „Wolfsmann“ (Freud 1918) wiederbelebt und ausgearbeitet. Das Problem, die Verbindung zwischen dem Einfluss einer traumatischen Stimulierung durch Wahrnehmungen in der Außenwelt mit der intrapsychischen traumatischen Stimulierung durch Triebe und Phantasien zu erklären, hat Freud in all seinen Schriften beschäftigt.

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