Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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nicht - wie in Freud letzter Triebtheorie – das Resultat oder der Ausdruck eines ursprünglichen Triebes, der Zerstörung anstrebt, um einen ursprünglichen anorganischen Zustand wiederherzustellen. Er taucht vielmehr infolge der durch die äußere Welt geweckten Unlust auf, die den Wunsch weckt. Das Ziel besteht immer darin, die Unlust und damit das Hassgefühl zum Verschwinden zu bringen und Raum zu schaffen für die Liebe, indem lustspendende Objekte gefunden werden. Dies ist der Ausgangspunkt, von dem aus sich Liebes- und Hassbeziehungen in unterschiedlicher Form entwickeln. Laut Marcona sind die unterschiedlichen Blickwinkel jeweils charakterisiert durch ihre Betonung dessen, was auf der Ebene der Konstituierung der Psyche geschieht, auf der eine Entwicklung von einem „narzisstischen“ psychischen Zustand, wie Freud ihn nennt - oder von einem „autistischen“, wie Bleuer es ausdrückte -, zu einer Objektbeziehung stattfindet, wenn das im Werden begriffene Subjekt aus seinem ursprünglichen biologischen Zustand auftaucht und in einen mentalen Zustand hineinwächst, in die extrauterine Welt, in der sich ihm das Objekt mit seiner gesamten psychischen Vorgeschichte als Identifikationsmodell zur Verfügung stellt. So beschreibt es Freud (1921c) in Massenpsychologie und Ich-Analyse , wo er die Identifizierung als „früheste Äußerung einer Gefühlsbindung an eine andere Person“ (S. 115) definiert. Marcano fragt, ob das Psychische für eine Mythologie oder für eine psychoanalytische Theorie der Affekte von Belang ist, die im Objekt (im Anderen) konstituiert werden und das Subjekt durch Identifizierung konstituieren. In einer hochtheoretischen Ableitung, in der er auch Kleins (1955) Schrift „Über Identifizierung“ berücksichtigt, erörtert Marcone, dass Handlungen vielleicht auch eine Sprache repräsentieren, die die Schicksale von Liebe und Hass ausdrücken. Später, nach erfolgter psychischer Integration, können diese dann durch eine Sach- und eine Wortvorstellung kommuniziert werden, die das Ergebnis der intersubjektiven Bindung offenbaren, die durch Identifizierung intrasubjektiv wird. Anknüpfend an zeitgenössische Autoren, will Marcano untersuchen, ob die vitalisierende Eigenschaft einer Interaktion zwischen Subjekt und Objekt thanatisch oder erotisch-libidinös ist. Er scheint anzunehmen, dass der Psychoanalytiker als sensibler Zuschauer mit einem Angebot an affektiven Elementen als Äußerungen des Lebenstriebs das gemeinsame empirische Objekt (eine Reflexion des Todestriebs) als Subjekt von Handlungen und nicht von Worten vielleicht in ein ästhetisches Objekt transformieren kann.

VII. INTERDISZIPLINÄRE PERSPEKTIVEN

Um seine Theorie weiterzuentwickeln, wandte sich Freud häufig anderen Feldern zu, etwa der Biologie, der Anthropologie, den Sprachwissenschaften, der Archäologie,

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