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orientieren, zuträglich ist. Unter Berufung auf Panksepps Konzepte des „Trennungspanik“-Systems und des ventro-tegmentalen SUCH-Systems stellt er die Analyse eines heroinsüchtigen Patienten vor. Im Anschluss an die Analyse des gestörten „Panik“-Systems konnte der Patient auch noch neun Jahre nach Beendigung der Analyse das Craving in seinem SUCH-System tolerieren, ohne Heroin zu konsumieren. Auch Mark Solms (2020, 2021) hat das Triebkonzept und die Zusammenhänge zwischen Trieb und Affekt neu definiert, und zwar im Licht seines allgemeinen Modells, das die moderne Neurowissenschaft und die psychoanalytische Theorie integriert. Auf der Grundlage der Formulierungen Panksepps (1998) und Fristons (2010) bezeichnet Solms die Arbeitsanforderung, die der dominante Affekt im zentralen Nervensystem erzeugt , als einen Trieb . Das bedeutet, dass es mindestens ebenso viele Triebe wie Affektsysteme gibt. Originäre Hypothesen, die Verbindungen zwischen Molekularbiologie, Immunologie und Psychoanalyse aufzeigen, wurden von dem lateinamerikanischen Analytiker Guillermo Sánchez Medina (2001) in seinem Aufsatz ”Pulsiones de vida y muerte” [Lebens- und Todestrieb] formuliert. Medina betrachtet die Triebe als „Kräfte des organischen Lebens und Todes, die eine Ordnung und wechselseitige Beziehungen und Entwicklung mit anderen Kräften (ihnen entgegengesetzten Besetzungen, Antimaterie und/oder Antipartikel), die dieses Funktionieren beeinträchtigen oder aber, ganz im Gegenteil, Gleichgewicht und Ordnung aufrechterhalten, wiederherzustellen versuchen, womit wir auch zur Theorie von Komplexität und Chaos kommen“. Auf der Grundlage moderner wissenschaftlicher Studien über Immunsystem, programmierten Zelltod (Apoptose) und Immunologie versucht Sánchez Medina, „triebhafte bioenergetische Naturphänomene zu erklären, um zu einer These, nicht zu einer Parallele, zu gelangen, zu einer Brücke zur Interpretation psychobiologischer Fakten, die offenkundig in der Molekularbiologie, den Entdeckungen der Immunologie und den Entdeckungen der Psychoanalyse ihren Ursprung haben, die – einmal integriert – möglicherweise die Konstruktion einer weiteren Brücke zum Verständnis des Somatischen und des Psychischen ermöglichen. Wie könen diese biologischen Kräfte, abgesehen von Anwesenheit, Abwesenheit, Transport, Teilung, Entwicklung und Zerstörung von Molekülen, stimuliert, ausgeschaltet oder reguliert werden? Eine mögliche komplexe Antwort lautet, dass dieselben psychischen Reize, die in bewussten und unbewussten Phantasien auftauchen können, Signale produzieren oder beschleunigen, die die verschiedenen biomolekularen Mechanismen miteinander verbinden und auf diese Weise im Dienste des Lebens oder des Sterbens die Psyche-Soma-Brücke herstellen. Die Psychoanalyse hat den Trieb und die thanatischen Phantasien bereits erforscht und kann wiederum als Achse für das Verstehen des psycho-physikalischen Konzepts und der Komplexität von Psyche und Körper dienen. Sánchez Medina behauptet, dass die moderne biologische Forschung Freuds These eines biologischen Aspekts des Todestriebs bestätigt: So wie es mörderische und apoptetische Zellen gibt, gibt es auch apoptetische Gene mit ihren
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