Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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„Gruppenmaschine“ –, die die frühesten psychischen Strukturen und die im Gruppenprozess manifest werdende psychotische Ebene der Persönlichkeit widerspiegeln. Kaës (2010, 2014) beschreibt ein komplexes metapsychologisches intersubjektives System mit einem von Grund auf narzisstischen Dreierbündnis aus Idee, Ideal und Idol, das die Tyrannei der omnipotenten Mutterimago widerspiegelt. Pilar Cubillos (2019) untersucht in “ Pulsión de muerte en los grupos ” [Der Todestrieb in Gruppen] die Manifestationen des Todestriebs im sozialen Leben und seinen Ausdruck in den Schwierigkeiten, die uns die Teilnahme an Gruppen und Institutionen bereitet. Sie stützt sich dabei auf die theoretischen Beiträge von R. Kaës. Scheidlinger (1974) erörtert die regressive Aktivierung libidinöser Bindungen an die „ Muttergruppe “. In der psychoanalytischen Gruppentherapie unterschiedlicher therapeutischer Richtungen haben freudianische und die oben genannten post- freudianischen Konzipierungen seit den 1940er Jahren Anwendung gefunden (Slavson 1947; Foulkes 1948; Glatzer 1992; Lebovici, Diatkine und Kestenberg, 1958; Bion 1961). Die heutzutage praktizierte psychoanalytische Gruppentherapie (McKenzie, 1992; Kauff, 2011; Papiasvili 2011) hat sich zu einem in sich kohärenten multiperspektivischen Feld weiterentwickelt. Die Gruppe, die vielfache Übertragungen und neue Entwicklungen ermöglicht, dient als einzigartiges dynamisches Reservoir für das Zusammenspiel aktivierter unbewusster Prozesse/Triebabkömmlinge und Charakterabwehren, die unter anderen Umständen nicht wirklich sichtbar werden. Der Gruppenanalytiker hat die Aufgabe, das Agieren regressiv aktivierter unbewusster Impulse zu verhindern. Er muss Grenzen und Rahmen aufrechterhalten und tut dies vorwiegend durch die Deutung unbewusster Konflikte und Phantasien einschließlich sexueller und aggressiver Strebungen, wenn sie als Widerstand gegen individuelle Weiterentwicklung und/oder die Entwicklung der Gruppe als Ganzem auftreten. VII. Ba. Zeitgenössische Perspektiven auf soziale Gewalt, Terrorismus, historisches Trauma Kernberg (2003a, b) beschreibt in seinem zweiteiligen Beitrag über sanktionierte gesellschaftliche Gewalt ein Spektrum regressiver, maligner narzisstisch-paranoider Mechanismen, die als gemeinsame (unbewusste) Matrix der Analyse jener sozialpsychologischen Aspekte dienen, die Gewalt sanktionieren. Kernberg erweitert Freud, indem er die Dimension der Angst vor den Konsequenzen der Aggression beschreibt, die narzisstische und paranoide Abwehrmechanismen aktiviert. In einem solchen Prozess der Gruppenregression werden normale Funktionen und Abwehroperationen durch die Vielfalt an primitiven Abwehroperationen ersetzt, die für die ursprünglich von Klein beschriebenen paranoid-schizoiden Mechanismen charakteristisch sind. Laut Kernberg (2003a, b) und Green (2002b) ist dieses unkontrollierte, mächtige regressive Potenzial zu primitiven, auf die Spaltung konzentrierten und gegen primitive Aggression gerichteten Abwehroperationen der

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