Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Von wesentlicher Bedeutung für die Moderne Konflikttheorie ist die Überlegung, dass unbewusste Beiträge zum menschlichen Funktionieren sowohl eine strukturierende als auch eine prozessierende Dimension besitzen. Der strukturierende Aspekt der unbewussten Aktivität zeigt sich in dem organisierenden Einfluss, den sie auf das psychische Leben ausübt. Übertragungsaktivität, Muster der Beziehungen zum Selbst und zu anderen Menschen (einschließlich Schuldgefühlen und Selbstbestrafung), Dissoziationen, das intersubjektive Feld und die internalisierten Objektbeziehungen werden auf spezifische Weise um unbewusste Phantasien herum strukturiert, die für das Individuum charakteristisch sind. Unbewusste Prozesse haben eine fluide Dimension, die sich den gegenwärtigen Realitäten durch Reifung, Einsicht und Integration kreativ anpasst oder aber desintegriert und in diesem Fall Angst oder einen depressiven Affekt nach sich zieht. Die Rolle der Phantasie in der Entwicklung der unbewussten Aktivität wird als überaus wichtiger organisierender Faktor verstanden, der aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen Umwelt- und intrapsychischen Faktoren hervorgeht (Arlow 1969a, 1969b; Arlow und Richards 1991). Unbewusste Phantasien sind Organisationen, die dem Individuum helfen sollen, Lust zu mehren und Unlust zu mindern. Die Repräsentanten der Modernen Konflikttheorie begreifen jede unbewusste Phantasie als Ausdruck der Art und Weise, wie die synthetisierende Funktion der Psyche Konflikte zu bewältigen versucht. Die Inhalte dieser unbewussten Phantasien leiten sich aus den Ambivalenzgefühlen und Konflikten der Kindheit und ihren späteren Versionen her. In der Psyche bilden sich je nach Umständen und Erfordernissen komplexe Elemente. Die Elemente des Konflikt s bleiben kategorial in jedem Fall dieselben - ein Triebabkömmling, ein Unlustaffekt, eine Abwehr, eine moralische/ethische Äußerung oder eine Anforderung seitens der Außenwelt -, der Inhalt des Konflikts aber variiert je nach persönlichen Eigenschaften des Individuums, seiner Lebenserfahrung und der augenblicklichen Situation. Für Konflikttheoretiker ist dieses Verständnis die Manifestation von Struktur und Prozess der auf Kompromisse drängenden Aktivität, die das gesamte psychische Leben charakterisiert. III. B. Das Unbewusste in der „britischen“ Objektbeziehungstheorie (Klein, Bion Winnicott) Die Objektbeziehungstheorie ist eine bedeutsame postfreudianische Entwicklung, die ihren Ausgang in England und Frankreich nahm. Sie vertritt das Konzept eines Unbewussten, das nicht länger auf dem eher solipsistischen energetischen Triebmodell Freuds und dem Verdrängungsvorgang beruht, sondern auf einem relationalen Modell der Psyche. Die verschiedenen theoretischen Konzept der Objektbeziehungsschule beschreiben das Unbewusste als ein System , das sich entwickelt und das in einer Beziehung geprägt und geformt wird. Die Objektbeziehungstheorie konzentriert die Aufmerksamkeit auf die Rolle des Objekts, das als Ergebnis der Internalisierungen von Beziehungserfahrungen verstanden wird,

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